ÖHV: Herr Mag. Liegl, wie hat sich F&B in der Hotellerie in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert?
Erich Liegl: Essen und Trinken gehören zu den zentralen Grundbedürfnissen für jede Form des Reisens, und sind – neben der Qualität der Unterbringung und dem Freizeitangebot – entscheidende Erfolgsfaktoren. Und werden es bleiben. Anfangs hatten wir die klassische Vollpension mit der Hauptmahlzeit zu Mittag. Das hat sich durch die Einführung der üppigen Frühstücksbuffets zur Halbpension mit dem Abendessen als Hauptmahlzeit entwickelt. Vor allem von Südtirol ausgehend, wurde später auch eine Mittags- und Nachmittagsjause angeboten und es ging in Richtung einer – nennen wir es – Dreiviertelpension. Mit Kaffee & Kuchen wurde daraus fast eine „All inclusive“-Verpflegung. Bis Corona kam. Die Pandemie hat alles wieder durchgerüttelt: Von den Buffets musste man, vorschriftsbedingt, auf Service umsteigen. Manche Betriebe haben gleich die ganze oder Teile der Hotelgastronomie geschlossen. Momentane Entwicklungen gehen in Richtung einem kunterbunten Gemisch aus Buffetverpflegung, À-la-carte-Restaurants im einigen Hotel, Halbpensionsangeboten bis hin zu ganz geschlossen gebliebenen oder teilweise ausgelagerten Restaurants.
ÖHV: Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch für die Hotels?
Erich Liegl: Die Veränderungen zeigen sich auf verschiedenen Ebenen. Auf Gästeseite haben sich Anforderungen und Wünsche ans Essen selbst und das Konsumverhalten stark verändert. Die kulinarischen Gewohnheiten, die der Gast Zuhause pflegt, nimmt er auch in den Urlaub mit. Hinsichtlich Mitarbeiter:innen hat sich der Arbeitsmarkt ausgedünnt und es gibt zudem immer weniger Fachkräfte. Die Kosten im Personalbereich steigen überproportional – während die Bereitschaft der Mitarbeitenden, am Abend oder am Wochenende zu arbeiten oder generell viele Stunden zu arbeiten, sinkt. Auf diese vielfältigen Bedürfnisse zu reagieren und sie zu erfüllen, verursacht hohe Kosten – abseits jener, die durch die Teuerung entstanden sind. Da bleibt die Frage, ob Restaurants in den Hotels überhaupt einigermaßen akzeptabel wirtschaftlich geführt werden können, ohne sie aus der Logis oder anderen Abteilungen heraus querfinanzieren zu müssen. Hotelier:innen müssen ja Geld verdienen mit ihrem Angebot.
ÖHV: Wie lautet Ihre Empfehlung?
Erich Liegl: Die Branche muss sich mit der Dreidimensionalität der Thematik befassen. Das ist erstens die Analyse des Gästeverhaltens und der Gästebedürfnisse sowie von gesellschaftlichen Entwicklungen: Die sieht man am besten im urbanen Bereich, dort kann man viele Anleihen nehmen, um zu lernen. Zweitens geht es um die Gestaltung eines attraktiven Arbeitsumfelds für die Mitarbeitenden. Für sie muss es interessant sein und bleiben, in der Hotellerie und in den Gastronomiebereichen zu arbeiten. Drittens müssen wir an die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens denken, produktive und unproduktive Prozesse analysieren und überlegen, wie das hotelgastronomische Angebot strategisch und operativ optimiert werden kann.
Es gibt keine Allheilmittel, aber es gibt viele Ansätze, die jeder Betrieb für sich bewerten muss: Installiere ich eine Prozessküche? Kann ich mehrere Gastro-Outlets über eine zentrale Küche versorgen? Kann ich mit einem benachbarten Kollegen zusammenarbeiten? Muss ich jeden Abend alle Gäste zur gleichen Zeit zum Essen holen oder kann ich diese Spitzen entzerren? Und, und, und. Schlussendlich soll es für alle Beteiligten eine Win-Situation sein.