die lobby: In Küche und Service fehlen die Mitarbeiter. Corona hat die Situation weiter verschärft. Wie kann die Hotellerie reagieren?
Benedikt Zangerle: Die Technik hat in den letzten 10 Jahren gewaltige Fortschritte gemacht – leider wird dieses Potenzial oft nicht genutzt und die klassische Küchenplanung ignoriert das Thema Mitarbeitermangel völlig. Die Postenküche funktioniert aufgrund fehlender Fachkräfte nicht mehr. Prozessküchen sind anders aufgebaut, sie ähneln der amerikanischen „Line Kitchen“ – d.h. warme und kalte Komponenten werden nicht mehr quer durch die ganze Küche zusammengestellt, sondern ein Gericht wird von einer Person an einer Ausgabestelle zubereitet.
die lobby: Es gibt dann also nur mehr die Hauptbereiche „Warme Ausgabe“ und „Kalte Ausgabe“. Erfordert das nicht umso mehr Fachkenntnis beim Personal?
Benedikt Zangerle: Nein, ganz im Gegenteil. Wir müssen Prozesse völlig neu denken, neu organisieren, standardisieren und auch vermehrt auf Convenience zurückgreifen. Hier hat sich viel getan. Was ist verkehrt an vorgeschnittenem Gemüse, bereits gewaschenem
Salat oder vorgefertigten Komponenten? Quer durch alle Bundesländer gibt es Anbieter von qualitativ exzellenten Convenience-Produkten. Natürlich kann ich in der Prozessküche, sofern ich die Fachkräfte habe, mein gesamtes kulinarisches Angebot nach meinen Rezepten zubereiten, durch Schockfrosten konservieren und nach Bedarf regenerieren. Ich produziere also dann, wenn Zeit ist, für die Phase, wo wenig Zeit bleibt. Leider gehört ein Schockfroster noch nicht zur Grundausstattung österreichischer Hotelküchen.
die lobby: Braucht es für diese Zubereitungsart eine neue Küchen-Ausstattung?
Benedikt Zangerle: Ja, meist kommt man um einen Neubau der Küche nicht herum. Ich rate dringend davon ab, einfach die alte Küche zu erneuern. Eine Postenküche wird durch neue Geräte logistisch auch nicht besser, sie amortisiert sich frühestens nach 10 Jahren, sofern man ausreichend Fachkräfte findet. Eine Prozessküche rechnet sich in weniger als 5 Jahren. Dabei spielen der geringere Mitarbeiterbedarf, die Energieeffizienz und die Reduzierung von unnötigen Lebensmittelabfällen auf fast Null eine Rolle.
die lobby: Wenn ich von externen Anbietern zukaufe, führt das nicht zu austauschbaren Angeboten?
Benedikt Zangerle: Nicht zwingend! Ich finde am Markt hochflexible Zulieferer, die nach meinen Qualitätsvorstellungen produzieren und – bei Abnahme einer entsprechenden Stückzahl – auch nach meinen Wünschen zubereiten, würzen oder Portionsgrößen anpassen. So erreiche ich eine bessere und gesichertere Qualität als mit einer unvollständigen Mannschaft von ungelernten Kräften, die selbst kocht.
die lobby: Hilft die Umstellung von Küchenprozessen auch beim Frühstücksangebot?
Benedikt Zangerle: Omeletts, Spiegeleier oder Egg Benedict lassen sich auch im Kombidämpfer produzieren statt in der Pfanne. Wenn man keinen Mitarbeiter für das Front-Cooking hat, der kommunikativ ist und ausreichende Sprachkenntnisse hat, dann ist es besser, solche Gerichte aus der Küche zu servieren.
Der Mitarbeitermangel wird im Service die größere Herausforderung werden als derjenige in der Küche.
die lobby: Auch im Service haben wir zu wenig Mitarbeiter. Ist Selbstbedienung in Form von Buffets oder Getränkestationen eine Lösung?
Benedikt Zangerle: Man braucht nicht automatisch weniger Mitarbeiter, wenn man in der gehobenen Hotellerie von Service auf Buffet umstellt. Die Arbeitskraft wird nur verschoben. Buffets sind betreuungsintensiv, wahre Lebensmittelvernichter, und auch in der Küche sehr arbeitsaufwändig, wenn man einen hohen Standard gewährleisten möchte! Für Getränke trifft das noch eher zu. Der Gast hat sich daran gewöhnt, selbst die Orangensaft-Presse zu bedienen. Aber möchte man in einem 4 Sterne-Hotel seinen Wein selbst holen, öffnen und einschenken? Wohl eher nicht. Wir haben im Service wenig Möglichkeiten, auf Mitarbeiter zu verzichten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Prozessküche – Vorteile im täglichen Geschäft
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gleichbleibend hohe Speisequalitäten – weitestgehend mitarbeiterunabängig
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bis zu 50 % weniger Personalbedarf
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bis zu 90 % weniger Lebensmitelabfall
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bis zu 50 % weniger Betriebskosten
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bis zu 70 % weniger Reinigungsaufwand