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Völlig losgelöst? Die Behandlung von Pachtverträgen durch die COFAG
Corona, Recht

Völlig losgelöst? Die Behandlung von Pachtverträgen durch die COFAG

Die COFAG vertritt die Ansicht, dass bezüglich Corona-Hilfsmaßnahmen Pacht- wie Mietverträge zu behandeln sind. Das würde bedeuten, dass COFAG-Förderungen, die an viele Pächter:innen geflossen sind, rückgefordert werden können. Ist dies rechtens? Ein Kommentar.

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Für Mietverträge hat der Oberste Gerichtshof (OGH) mehrfach klargestellt, dass bei Nutzungsausfällen, die auf behördliche Betretungsverbote zurückzuführen sind, nach § 1105 Satz 1 ABGB ein Anspruch auf Bestandzinsminderung besteht (zuletzt OGH 9 Ob 84/21z). Anders ist die Rechtslage bei Pachtverträgen: Nach § 1105 Satz 2 ABGB steht nur dem Pächter eines nur auf ein Jahr gepachteten Gutes im Falle einer teilweisen Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes ein Rechtsanspruch auf eine Minderung des Bestandzinses zu. Der langfristige Pächter hat daher nach herrschender Meinung keinen Minderungsanspruch. Diese Ungleichbehandlung ist verfassungskonform, weil Miete nicht gleich Pacht ist, so jüngst der VfGH (G 279/2021). 

Können die vom Gesetzgeber unterschiedlich geregelten Vertragstypen andernorts trotzdem gleichbehandelt werden? Das ist keine rein akademische Frage. Gerade in der Hotellerie sind Pachtverträge weit verbreitet. Für viele Betriebe, die nach drei krisenhaften Jahren an der Grenze der wirtschaftlichen Belastbarkeit sind, sind die Förderungen existenziell und damit auch die Frage, in welchem Ausmaß Miete bzw. Pacht bei der Berechnung der diversen COVID-19-Hilfsmaßnahmen (Fixkostenzuschuss, Verlustersatz, etc.) als Kosten anerkannt werden.

Die Frage hat folgenden Hintergrund: Mit Blick auf die vorzitierte OGH-Judikatur hat der Gesetzgeber nach Stellung der Förderanträge durch die Unternehmen die gesetzliche Grundlage der Fördermaßnahmen, das ABBAG-Gesetz, novelliert, mit dem Ziel einer "Klarstellung von Rahmenbedingungen, unter welchen die COFAG diese Mieten, die bezahlt wurden, zu denen der OGH inzwischen festgestellt hat, sie wären nicht zu zahlen gewesen, trotzdem nicht die daraus resultierenden Förderungen zurückfordern muss, und das bis zu einer bestimmten Betragsgrenze, einer Art Relevanzgrenze, um so Zigtausende Rückforderungsfälle zu vermeiden" – so die Begründung der antragstellenden Abgeordneten im Nationalrat. Indes beschränkt sich der Wortlaut der Novelle nicht auf die Einführung der Relevanzgrenze. Vielmehr wird die COFAG "zur Klarstellung" in § 3b Abs 7 ABBAG-Gesetz nunmehr generell angewiesen, Bestandzinszahlungen – also sowohl Miete als auch Pacht – für die Zeiten von behördlich angeordneten Betretungsverboten nur mehr im Ausmaß der "tatsächlichen Nutzbarkeit" des Bestandobjektes anzuerkennen. 

Aufgrund dessen vertritt die COFAG, dass Pachtverträge wie Mietverträge zu behandeln seien – mit dem Effekt, dass die von Rechts wegen tatsächlich entstandenen Kosten vieler Pächter im Nachhinein nicht mehr anerkannt werden sollen. Der Gesetzgeber habe, so die COFAG, eine eigenständige gesetzliche Grundlage geschaffen, die zwar die bis zur Novelle ergangene OGH-Judikatur zur Bestandzinsminderung aufgrund von behördlichen Betretungsverboten widerspiegele, von der Entwicklung der zukünftigen Judikatur aber "losgelöst" sei. Zwingend scheint diese Herangehensweise aber nicht: So wäre es durchaus möglich, den Begriff der "tatsächlichen Nutzbarkeit" eines Bestandsobjektes im Gleichklang mit dem Bestehen eines Anspruchs auf Bestandzinsminderung auszulegen.

Tatsächlich zeichnen die vom Bundesminister für Finanzen erlassenen Förderrichtlinien in der Praxis für viele Fälle sogar eine Lösung, die sich an der Zivilrechtslage orientiert, vor: Nach diesen soll das Ausmaß der "tatsächlichen Nutzbarkeit" durch Vergleich über eine Bestandzinsminderung nachgewiesen werden können. Der Vergleich muss lediglich fremdüblich und sachgerecht sein. "Sachgerecht" sollen nach Ansicht der COFAG aber wiederum nur Vergleiche sein, bei denen Bestandzinsminderungen nur (oder jedenfalls primär) für den Zeitraum der behördlichen Betretungsverbote vereinbart wurden. Fördernehmer:innen, die getreu ihrer Schadensminderungspflicht Bestandzinsminderungen für längere Zeiträume ausgehandelt haben, werden von der COFAG damit schlechter gestellt, als wenn sie eine Minderung für den kürzeren Zeitraum der Betretungsverbote erwirkt hätten, und das sogar dann, wenn es einen Rechtsanspruch auf Bestandzinsminderung für diesen Zeitraum ohnehin nicht gab. 

Ob die von der COFAG anzuwendenden Vorschriften wirklich derart von der Zivilrechtslage "losgelöst" sind, werden die Gerichte zu entscheiden haben. Mit Blick auf den Sachlichkeitsanspruch, der von einer notwendigen Differenzierung getragen ist, auf die sich mit dem VfGH ja der relevante Unterschied von Miete und Pacht insgesamt stützt, scheint es aber höchst zweifelhaft, ob eine solche Gesetzesanwendung verfassungskonform wäre.
 

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