Mittwoch, 22. Jänner 2025
Es bleibt kein Stein auf dem anderen. Es wird sich erst zeigen, was das bedeuten wird.
Walter Veit, ÖHV-Präsident
so leitete der auf weitere drei Jahre wiedergewählte Präsident der ÖHV, Walter Veit, seine Begrüßung an die Teilnehmer:innen ein. Zwar zeichne sich bei den Regierungsverhandlungen hierzulande so mancher Konsens ab, doch sei man vom idealen Standort noch weit entfernt. Ein solcher setzt eine niedrige Steuerquote, gezielte Zuwanderung, einen überschaubaren Bürokratieaufwand und die Übernahme von Inputs aus der Praxis durch die Regierung voraus. So wies Präsident Veit darauf hin, dass mit einem Kontingent von 4.295 Arbeitskräften aus Drittstaaten nur ein Viertel des tatsächlichen Bedarfs im Tourismus gedeckt sei. Insgesamt machten die Saisonniers nicht einmal zwei Prozent der rund 240.000 Beschäftigen aus.
Jetzt ist die Politik gefragt, betonte der ÖHV-Präsident. Es geht darum, den Standort mit mutigen Entscheidungen längerfristig fit zu machen. So gesehen, können die Verhandlungen zum Ausgangspunkt für nötige Reformen werden. „Wir brauchen Rückenwind bei Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Arbeitsmarkt. Dafür setzen wir uns ein. Nur wenn der Standort gesichert ist und wir zufriedene Gäste haben, kann der Tourismus seine Funktion als Konjunkturstütze und Leitbranche in guten wie in schlechten Zeiten auch weiterhin erfüllen“.
Was kann der Tourismus von der Politik erwarten?
Thomas Hofer, Politikberater
Mit den Folgen der Krise befasste sich im Anschluss Politikberater Thomas Hofer. Er schätze den auch von Präsident Veit geteilten grundsätzlichen Optimismus der Branche, doch liege die Gefahr in einem Denkfehler: Es gehe, wie er sagte, nicht mehr darum, so wie früher „durch die Krise“ zu kommen. Vielmehr müsse man akzeptieren, dass es nicht mehr so sein werde wie früher. „Die Krise ist gekommen, um zu bleiben“, meinte der erfahrene Politexperte und gern gesehene Stammgast bei ÖHV-Tagungen. Man sei aktuell mit dem Stopfen der Löcher beschäftigt. Das sei aber zu wenig. Die (fatale) Logik der Politik liege darin, dass „Agenda Surfing“ statt „Agenda Setting“ betrieben wird. Man versucht, auf der jeweils gerade aktuellen Welle zu surfen, und dies „gerade immer ein bisschen länger als der Gegner“. Das führe jedoch zu Kontrollverlust und damit Vertrauensschwund der Bevölkerung. Es habe sich das Gefühl entwickelt, dass niemand mehr am Ruder steht und das Narrativ der Zweiten Republik ins Rutschen geraten ist. Die Emotionen spitzen sich zu, befeuert durch die (Hofer) „unsozialen Netze“ als Brandbeschleuniger. Damit sei man in eine „Emokratie“ geraten, die sich von Zahlen und Fakten löst. Die Folgen, so Hofer, sind gesellschaftliche Fragmentierung und der Verlust einer gemeinsamen Fakten- und Datenbasis; Diskussionsplattformen gehen verloren, die Politik gibt Verbindendes auf. Es herrsche sozusagen ein „Turmbau zu Babel reloaded“. Wie er weiter sagte, möge man weder das Vorgehen des neuen US-Präsidenten noch auch die Kampagnen-Kompetenz der FPÖ unterschätzen. Letzterer gelinge es immer besser, mit eigenem Medienhaus die traditionellen Medien zu umgehen.
Polit-Talk mit Kraus-Winkler, Schellhorn und Veit
Abgerundet wurde der erste Kongresstag durch eine Podiumsdiskussion mit ÖHV-Präsident Veit, Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und Gastronom und Politiker Sepp Schellhorn. Kraus-Winkler und Schellhorn zogen dabei Bilanz über die letztlich gescheiterten Bemühungen zur Bildung einer Dreierkoalition. Schellhorn hatte, wie er sagte, das Gefühl, bei den Verhandlungen mit der SPÖ „nicht einer, sondern drei Parteien“ gegenüberzusitzen. Gewerkschaft und AK hätten die Gespräche im Stil von Kollektivvertragsverhandlungen geführt, dabei aber den Konsolidierungspfad verlassen. Wie sich auch Kraus-Winkler erinnerte, habe die Gegenseite die Verhandlungen als Spielwiese für gewerkschaftliche Forderungen verstanden. So habe man sich „allen Ernstes“ mit Diskussionen über eine Hitzeprämie für Köche aufgehalten.
Wie die scheidende Staatssekretärin (ein erneutes Antreten hat sie ausgeschlossen) mit Nachdruck feststellte, brauche der Tourismus auch künftig eine Verankerung in der Politik. „Die Sektionen brauchen einen politischen Auftrag“, betonte sie. Er erwarte wieder ein Tourismus-Staatssekretariat, ergänzte Schellhorn. Im übrigen sei er der Meinung, dass man beim Tourismus relativ schnell vorankommen werde. Was den Fachkräftemangel betrifft, müsse man Stimmung für Saisonarbeit machen, die verbreitete „Inaktivität“ bekämpfen und im Ausland nach fähigen Mitarbeitern suchen. Als Ziel für die nächsten Jahre nannte Veit eine „noch breitere Aufstellung“ des Tourismus. Dazu brauche es einen Arbeitsmarkt, der ausreicht, mehr Verdienst für die Beschäftigten („Arbeit soll sich lohnen“), einen Fokus auf Digitalisierung und KI sowie Bürokratieabbau und Vereinheitlichungen. Die nächsten zwei Jahre werden sehr schwierig werden, „da mache ich mir wirklich Sorgen“, sagte Schellhorn, der insbesondere auch Probleme bei der Betriebsübergabe und in anderen Steuerfragen sieht. Es wird nicht einfacher werden, schloss Kraus-Winkler, aber „ich sehe mehr offene Ohren. Bin positiv, dass wir die Weichen stellen werden können“.
Eröffnungsabend in der DOGANA
Mit Grußworten der beiden „Hausherrinnen“, Barbara Plattner von Innsbruck Tourismus und Karin Seiler, Tirol Werbung, an die rund 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer am größten Event der österreichischen Tourismuswirtschaft erfolgte die Überleitung zum Eröffnungsabend in der DOGANA des Innsbrucker Kongresshauses.