Freitag, 24. Jänner 2025
Die dunklen Seiten der KI
Mark-Thorben Hofmann, Profilingexperte
Wie Hacker KI und Deepfakes für verbrecherische Zwecke nutzen, berichtete der Kriminal- und Geheimdienstanalyst Mark-Thorben Hofmann in seinem vom Publikum mit größter Aufmerksamkeit verfolgten Referat. Wäre Cybercrime eine Volkswirtschaft, so wäre es nach den USA und China mit einem Volumen von 10,5 Billionen Dollar die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt.
In letzter Zeit sind auch Hotels verstärkt ins Visier von Hackern geraten. Das Lösegeld („zahlbar in Bitcoins, innerhalb von 48 h“) wird an die Betriebsgröße angepasst. „Üblich“, so der Experte, sind fünf Prozent des Hotelwertes. Meist erfolgt eine „abgestufte Drohung“: es beginnt mit der Ankündigung „Wir legen Ihre Webseite lahm“ und reicht bis zur Drohung einer Veröffentlichung aller Daten (auch gegenüber dem Finanzamt!) und der Information der Presse. 90 Prozent der Erpressungsfälle gehen auf Verhaltensfehler von Mitarbeitern zurück. Diese sind für die Verbrecher das primäre Einfallstor, gemäß dem Spruch „ Amateurs hack systems, professionals hack people“. Zeitdruck, Emotion oder (vorgebliche) Ausnahmesituationen sind oft der Grund, weshalb sensible Daten preisgegeben werden.
„Deepfakes“ und KI haben die Gefahr in jüngster Zeit noch wesentlich verschärft. Man kann sich heute online in Ton und Bild als jeder beliebige Mensch ausgeben, wie Hofmann dem Publikum anhand einer durchaus echt anmutenden, aber natürlich fingierten Video-Grußbotschaft von US-Präsident Trump an den Innsbrucker ÖHV-Kongress demonstrierte (zu deren Herstellung ein Deepfake-Spezialist kaum länger als eine Minute braucht).
Angesichts dieser Bedrohungen muss Cybersecurity unbedingt Chefsache sein, mahnte Hofmann, der sich auf das Verhalten von Cyber-Kriminellen und deren Psychologie spezialisiert hat. Alles ist so gut zu sichern, wie es nur möglich ist, wobei zur technischen Sicherheit auch eine „menschliche Firewall“ gehört.
Neben den technischen Sicherungen ist also das psychologische Bewusstsein für die zunehmenden Bedrohungen (Stichwort „Awareness“) ein Muss. Hofmann rät, interne Schulungen durchzuführen, einen möglichen Cyber-Angriff im Unternehmen durchzuspielen, einen Passwort-Manager einzusetzen und einen auf Papier ausgedruckten Notfallplan bereit zu haben. Die Schaffung eines vertraulichen betriebsinternen Codewortes sei übrigens eine Maßnahme, die in Form eines familieninternen Passworts auch im privaten Bereich im Notfall sehr hilfreich sein kann.
Strategien für neue Gäste: Best Practice Hotellerie
Satya Anand, President Europe, Middle East & Africa Marriott International
Über innovative Ansätze und Strategien für neue Gäste-Zielgruppen referierte Satya Anand, einer der einflussreichsten Köpfe in der internationalen Hotellerie und seit 37 Jahren bei Marriott tätig. Der aus Indien stammende Top-Manager, der seine Karriere in Österreich, mit einer Ausbildung am Semmering, begonnen hatte, unterstrich die Wichtigkeit von Daten für die Entwicklung neuer Angebote. Die Verwendung von KI mache es heute viel leichter als noch vor einigen Jahren, an neue Gäste heranzukommen. Als Beispiel nannte er das expandierende Marriott Kundenprogramm „Bonvoy“, das heute 219 Millionen Members zählt. „So etwas wäre früher nicht möglich gewesen“, meinte Anand.
Die Vorteile eines KI-unterstützten Vorgehens zeigten sich besonders bei der Ansprache jüngerer Personen, die bei der Wahl ihres Reiseziels gerne neue Medien nutzen und dem Rat von Influencern folgen. Es lohnt sich, für diese potentielle Gästegruppe mit AI-Hilfe Urlaubspläne zu erstellen, die den jungen Leuten ein personalisiertes Urlaubserlebnis ermöglichen.
„Wir sollten KI als Hilfe, als Unterstützung sehen. Damit lässt sich eine Personalisierung - von der Reiseplanung bis zur Reiseabwicklung - viel besser durchführen“, erklärte der erfahrene Touristikmanager. Diese Dinge werden sich in den nächsten Jahren noch sehr verändern und weiterentwickeln. Trotz alledem und bei aller Technik dürfe man aber nie vergessen, dass Menschen letztlich mit Menschen zu tun haben wollen. „Denn ein Computer kann nicht ermessen, wie Sie sich fühlen, wenn Sie nach verspätetem Flug und ohne Ihr Gepäck spätnachts im Hotel einchecken wollen“, schloss Anand seine Ausführungen.
Neue Gäste - neue Wege in der Kommunikation
Anitra Eggler, Digital-Detox-Pionierin und Bestsellerautorin
Schicksalsfrage KI-Revolution. Trägt sie zur Entwicklung bei oder zum Ende der Menschheit? Evolution oder Endgame? Wie immer man diese Frage beantworten will, digitale Fitness ist heute wichtiger denn je. Dennoch wünschen sich viele Menschen angesichts der rasanten Entwicklung ein „Digital Detox“.
Das Haupthindernis auf dem „schweren Weg dorthin“ ist nach Meinung von Anitra Eggler die nahezu irrationale Beziehung zum Smartphone. Viele verbringen zu viel Zeit vor kleinen oder größeren Bildschirmen (Stichwort „Mails and Meetings“). Das kostet Geld und Nerven - und schadet dem Jahresergebnis. Andere Menschen verbringen im Urlaub mitunter mehr Zeit mit dem Handy, als sie für ihren Urlaubsort übrig haben. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre eine neue „Screen-Life-Bilanz“ (oder, wie die Digital-Detox-Pionierin salopp formulierte, eine neue „Screen-Wife-Bilanz“).
Diese Überlegungen könnte die Hotellerie weiterentwickeln und in personalisierten Aussendungen „wertschätzend und dadurch wertschöpfend“ an potenzielle Interessenten weitergeben. Denn mit Digital Detox ist, so Anitra Eggler, mehr gemeint als ein bloßes „Fastenhotel“. Richtig dargestellt bedeutet Digital Detox vielmehr „Quantität raus, Qualität rein. Holt euch das Beste aus dem digitalen Angebot!“. Der Hotelier übernimmt die Verantwortung, den Gästen Entspannung zu schenken. Dies lässt sich beispielsweise mit handyfreien Zonen und handyfreien Zeiten gut bewerkstelligen. Das Ganze ist den Gästen positiv zu kommunizieren: „Auszeit ist der neue Luxus, bei uns kannst Du abschalten!“. Etwa nach dem Motto „Ich trage keine Uhr - Zeit ist meine Rolex“.
Die Frage ist, wie kann ich den Gast in meinem Betrieb glücklich machen? Was kann ich humanisieren, wie kann ich Leute zum Wandel animieren? Um das herauszufinden ist es durchaus vernünftig, auch ChatGPT einzusetzen und nach Vorschlägen zu fragen. Das Erfolgsrezept in diesem Bereich heißt „DigDetox + KI“.
Destination Insights: das Preis-, Buchungs- und Auslastungsmonitoring der Tirol Werbung
Patricio Hetfleisch, Tirol Werbung
„Mehr Schifahrer“ ist gut, aber auch eine Herausforderung. Man braucht dann auch mehr Schibusse, Rettungsfahrzeuge, Polizei. Wie kann man also mit den Herausforderungen von „Peak Seasons“ am besten umgehen? Darüber berichtete Patricio Hetfleisch, CMO und Prokurist der Tirol Werbung. Wie er sagte, braucht es dazu Echtzeitdaten und Prognosen, mit herkömmlichen Touristik-Statistiken wäre da nicht viel zu holen. Für diese Zwecke setzt die Tirol Werbung ein revolutionäres Daten-Tool mit dem Namen „Destination Insight“ ein. Davon profitiert auch die Hotellerie. Topaktuelle Daten kommen über ein „Performance Board“.
„Damit liefern wir den Hoteliers Planungssicherheit für verschiedenste Situationen“, sagte Hetfleisch. Es lässt sich gut abschätzen, welche Folgen ein Event eigentlich hat, welche Auswirkungen auf Preise und Nachfrage zu erwarten sind. „Destination Insight“ kann die Entwicklung der Preise auf ein Jahr hinaus prognostizieren. Das System kann auch sagen, wie sich die Saison entwickeln wird. Gut brauchbar sind die Daten damit für jede Jahresplanung, für Marketing oder für das Setzen von Benchmarks. „In der Prognosefähigkeit sind wir derzeit einzigartig“, stellte Hetfleisch nicht ohne Stolz fest. Die Zusammenarbeit erstreckt sich neben dem Tourismus auch auf Polizei, Rettung, Busse und Supermarktketten.
Wie schon am Vortag gab es parallel zu den Vorträgen auf der Main Stage auch diesmal zwei weitere Sessions: Den Impulsvortrag von Roman Egger, CEO SmartVisions über „Digitale Transformation: Wie KI die Tourismusbranche neu codiert“ auf der Future Stage sowie den Workshop „Customer Centricity: talk to your future guests“ mit Leon Hetzer auf der Creativity Stage.
Künstliche Intelligenz und menschliche Weisheit als Allianz der Zukunft
Bettina Ludwig, Kulturanthropologin
„I am because we are“. Diese Weisheit eines Jäger- und Sammlervolkes aus der Kalahari im südlichen Afrika stellte die Kulturanthropologin und Zukunftsforscherin Bettina Ludwig an die Spitze ihrer Ausführungen, mit denen sie zu einem „Ausbrechen aus dem eigenen Gedankenkarussell“ einlud. Sie berichtete von ihren Reisen zum kleinen, nur 10.000 Personen umfassenden Volk der „Ju´hoan San“, bei dem Zeit, Besitz und Verbundenheit mit der umgebenden Natur ganz anders funktionieren als wir es gewohnt sind. Dies zeige, so Bettina Ludwig, dass Menschen vor allem kulturell bedingt handeln und nicht, „weil sie eben so sind“. Die Ju´hoansi leben im Hier und Jetzt und sind Teil eines Ganzen, das größer ist als sie selbst.
Man schaut anders auf das Leben als bei uns, man empfindet sich als Teil eines Kreislaufs. In der Gemeinschaft gibt es kein Konzept der Hierarchie, alle Fragen werden ausdiskutiert. Jeder leistet seinen Beitrag für die Gesellschaft. „People are made for giving“, es wäre falsch, nur zu nehmen.
Anhand dieser bei ihren Forschungsreisen gewonnenen Erkenntnisse hinterfragt Ludwig die Natur des Menschseins und stellt das herkömmliche Welt- und Menschenbild auf den Kopf. Sie entwickelt eine Vision für eine Gemeinschaft, in der Dinge und Werte eine andere und tiefere Bedeutung erlangen. „Zukunft braucht den Mut, Kultur neu zu denken. In einer Welt, in der - wie heute - alles auf dem Spiel steht, muss alles möglich sein“, beendete die auch als Buchautorin bekannt gewordene Kultur- und Sozialanthropologin ihr Referat.
Dank und Ausblick - ÖHV-Kongress 2026 vom 14. bis 16. Jänner in Linz!
2021 tagte der jährlich wechselnde ÖHV-Kongress letztmals in Linz. Es war dies die erste touristische Großveranstaltung nach Ausbruch der Corona-Pandemie. Trotz der damaligen Einschränkungen wurde es ein hochprofessionelles und wegweisendes Ereignis. „Nun kehren wir nach fünf Jahren zurück. Die ganze Branche freut sich auf spannende Tage. Und unsere Partner können zeigen, wie viel die oberösterreichische Landeshauptstadt inzwischen Neues zu bieten hat.“
Mit dem Gruß nach Linz und einem großen Dank an das engagierte Team der Tourismusschule Villa Blanka sowie an die Schülerinnen und Schüler aus 12 österreichischen Tourismusschulen, die im Rahmen des Medienprojekts zur Veranstaltung eingeladen worden waren, setzte Präsident Walter Veit den Schlusspunkt zum erfolgreichen ÖHV Kongress 2025 in Innsbruck.
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