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Praktikant:innen: Billige Arbeitskraft oder Nachwuchs-Hoffnung?
Arbeit & Fachkräfte

Praktikant:innen: Billige Arbeitskraft oder Nachwuchs-Hoffnung?

Die Werte jüngerer Menschen haben sich verändert, sie stellen die Sinnfrage, wollen sich wertgeschätzt fühlen und sich entfalten können. Hani El Sharkawi meint: Praktikant:innen als Nachwuchshoffnung sehen!

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Der Employee-Experience-Experte, Hani El Sharkawi, führt uns durch seine Erfolgsfaktoren für ein beidseitig gelungenes Praktikum. Darüber hinaus hat er Ihnen am Ende des Artikels eine umfassende Checkliste für ein wertschätzendes Onboarding zusammengestellt.

Junge Menschen erwarten sich erlebte Wertschätzung und wenn möglich auch Sinnstiftung. Mehr dazu in unserem Artikel! Wir wünschen gute Inspirationen und vor allem begeisternde Praktika für Arbeitgeber:innen und Jugendliche!

Ich frage mich, ob junge Menschen nicht immer schon diese Erwartungen hatten, sie aber heute den Mut aufbringen, Missstände aufzuzeigen und inakzeptable Arbeitsbedingungen nicht zu tolerieren.

Hani El Sharkawi

Meine Liebesgeschichte mit der Hotellerie begann in meinem erstes Sommerpraktikum. Es liegt 30 Jahre zurück und ich denke immer noch gerne daran. Ich wurde freundlich begrüßt, herzlich ins Team aufgenommen und bekam die Möglichkeit, in diverse Abteilungen hineinzuschnuppern. Ich begrüßte Rod Stewart, bediente Roxette und kümmerte mich um die Wünsche von Claudia Schiffer. Es war für einen jungen Menschen, der ich damals war, sehr aufregend. Ich bekam 20 Schilling vom Portier, wenn ich meine Aufgaben als Page zur Zufriedenheit der Gäste erledigte.  Ich verbrachte aber auch eine Zeit in der Küche und wusste sehr schnell, dass ich aufgrund des rauen Tons, der dort herrschte, sicherlich nie in einer Küche arbeiten möchte. Ich absolvierte mein zweites Praktikum im gleichen Hotel, diesmal in der Telefonzentrale und an der Rezeption. Ich wurde mit einer bunten Swatch-Uhr von meinen Kolleg:innen verabschiedet. Kurz vor Beendigung meiner Ausbildung, flatterte ein Brief mit einem Jobangebot als Rezeptionist in meinen Briefkasten. Ich musste nicht lange darüber nachdenken, nahm den Job an und verbrachte die ersten 3 Jahre meines Berufslebens als Rezeptionist in diesem Hotel.

 

Employee Experience als Schlüssel zum Erfolg

Employee Experience beschreibt die Summe aller Erfahrungen eines Mitarbeitenden bzw. einer Mitarbeitenden in einem Unternehmen. Diese sind das Ergebnis aller Interaktionen, Eindrücke und Emotionen von Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen mit dem Unternehmen während des gesamten Mitarbeiterlebenszyklus – angefangen bei der Rekrutierung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Hat ein:e Praktikant:in eine positive Employee Experience, erhöhen sich die Chancen, dass er/sie der Branche treu bleibt.

 

Das Praktikum als Lernerfahrung

Praktikant:innen sind zukünftige Fachkräfte.  Das Praktikum soll dazu dienen, sie von dem Beruf zu begeistern und ihnen die Leidenschaft dafür zu vermitteln.  Der Lern- und Ausbildungszweck steht bei einem Praktikum im Vordergrund. Werden Praktikant:innen als billige Arbeitskräfte gesehen und behandelt, kehren sie der Branche den Rücken.

10 Best Practices für ein erfolgreiches Praktikum

1. Vorbereitung ist die halbe Miete

Sobald der Praktikumsvertrag unterzeichnet ist, geht es in die Vorbereitung von Uniform, Namensschild, Spind, Passwörter und Arbeitsutensilien. Sollte eine Unterkunft angeboten werden, muss auch diese vorbereitet werden. Alle Mitarbeiter:innen im Haus werden über den Start der Praktikant:innen informiert.

2. Der erste Eindruck zählt

Sowie bei einem Gast, zählt auch bei einem/r Praktikant:in der erste Eindruck. Eine persönliche Begrüßung durch Eigentümer:in oder Direktion, ein Willkommenskärtchen in der Unterkunft oder ein kleines Willkommensgeschenk sorgen dafür, dass sich Praktikant:innen willkommen fühlen.

3. Onboarding

Das Onboarding der Praktikant:innen, also der Prozess der Einführung ins Unternehmen, ist ein entscheidender Teil des Mitarbeiterlebenszyklus und für Praktikant:innen – angesichts fehlender Berufserfahrung – besonders wichtig. Der Onboardingprozess beinhaltet eine Veranstaltung, bei der folgende Informationen kommuniziert werden:

  • Die Geschichte des Hauses, dessen Vision, Mission und Werte
  • Vorstellung der Eigentümerfamilie und/oder Direktor:in, der Abteilungsleiter:innen sowie der Abteilungen im Hotel
  • Vorstellung des Angebots des Hotels, der F&B Outlets, des Spa und deren Öffnungszeiten
  • Hausführung & Vorstellung der Kolleg:innen
  • Die wichtigsten Verhaltensregeln und Sicherheitsvorschriften
  • Information zur Umgebung, Standort des nächsten Supermarkts bzw. der nächsten Apotheke

Die Willkommensveranstaltung kann auch durch ein digitales Onboarding ersetzt werden.

4. Begrüßung durch den/die Abteilungsleiter:in

Als nächstes werden die Praktikant:innen den jeweiligen Abteilungsleiter:innen übergeben und in der Abteilung willkommen geheißen.

5. Buddysystem

Die Praktikant:innen benötigen in der jeweiligen Abteilung eine Person, die sie einschult, die ersten Tage mit ihnen in die Kantine essen geht und ihre Fragen beantwortet. Idealerweise haben Praktikant:in und Buddy den gleichen Dienstplan in den ersten 1-2 Wochen.

6. Einschulungsplan

Die Einschulung sollte anhand eines Plans, mit abwechslungsreich gestaltetem Aufgabenprofil, erfolgen.  Idealerweise wird der/die Praktikant:in nach seinen/ihren Interessen gefragt und bekommt die Möglichkeit, in die Abteilung/en, die ihn/sie interessieren, hineinzuschnuppern. Die gemeinsame Festlegung eines Ziels für das Praktikum kann auch hilfreich sein.

7. Regelmäßige Feedbackgespräche

Praktikant:innen haben in der Regel noch keine bzw. wenig Berufserfahrung und arbeiten an ihrer persönlichen Entwicklung.  Es ist die Aufgabe des Unternehmens, sie anzuleiten und ihnen Hilfestellung anzubieten.  Regelmäßiges Feedback hilft Praktikant:innen bei ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung.

8. Beteiligung am Trinkgeld

Da Praktikant:innen in der Hotellerie meist als vollwertige Mitarbeiter:innen im Service, in der Küche oder an der Rezeption ihren Dienst verrichten, erhöht eine Beteiligung am Trinkgeld ihre Motivation.

9. Geregelte Dienstzeiten und rechtzeitige Bekanntgabe

Da eine gute Work-Life-Balance für die jüngere Generation immer mehr an Bedeutung gewinnt, sind geregelte Dienstzeiten und eine rechtzeitige Bekanntgabe des Dienstplans, wichtige Faktoren für ein erfolgreiches Praktikum.

10. Offboarding

Ein positiver letzter Eindruck erhöht die Chancen, dass aus einem/r Praktikant:in eine zukünftige Arbeitskraft wird. Ein persönliches Abschlussgespräch, um Feedback einzuholen, die Zielerreichung zu evaluieren und Möglichkeiten einer Anstellung in der Zukunft zu besprechen ist sehr wichtig. Die Übergabe des Praktikumszeugnisses stellt den krönenden Abschluss dar.

Dieser Prozess kann natürlich individuell gestaltet und an den Standort des Hauses, seine Größe und Struktur sowie an die Anzahl der Praktikant:innen, die aufgenommen werden, angepasst werden.

TIPP:

Um die Praktikant:innen langfristig an das Unternehmen zu binden und die Chancen zu erhöhen, dass sie - nach Beendigung ihrer Ausbildung - ins Unternehmen zurückkehren, empfiehlt sich, die Praktikant:innen gleich zu Beginn einzuladen, dem Hotel auf diversen sozialen Medien zu folgen. Außerdem kann man sie mit einem regelmäßigen Newsletter über die wichtigsten Ereignisse im Haus informieren. Es ist auch zu überlegen, ob man sie nicht zu dem einen oder anderen Event bzw. zur Mitarbeiter:innenfeier einlädt.

Hani El Sharkawi's Checkliste, die Sie gerne für sich adaptieren können:

Ihre Ansprechpartnerin

Mag.(FH) Kristin Oberweger

Mag.(FH) Kristin Oberweger

Mitgliederservice Arbeitsmarktinitiativen E-Mail senden +43 1 5330952-32

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