Nichtantritt des Dienstes und Konventionalstrafe
Immer wieder treten potenzielle Arbeitnehmer trotz eines unterschriebenen Arbeitsvertrages den Dienst im Hotel nicht an. Was tun?
Autor: Dr. Günter Steinlechner, Jurist und Unternehmensberater, Spezialgebiet Arbeitsrecht
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Immer wieder treten potenzielle Arbeitnehmer trotz eines unterschriebenen Arbeitsvertrages den Dienst im Hotel nicht an. Der Betrieb ist verärgert, weil er den potenziellen Arbeitnehmer nicht so schnell ersetzen kann. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob nicht die Möglichkeit besteht, durch eine Konventionalstrafe im Arbeitsvertrag die Vertragstreue von potenziellen Arbeitnehmern zu erhöhen.
Grundregel
Inwieweit eine Konventionalstrafe für den Fall vereinbart werden kann, dass ein potenzieller Arbeitnehmer trotz eines unterschriebenen Arbeitsvertrages den Dienst nicht antritt, hängt davon ab, ob eine Probezeit gilt oder nicht.
Probezeit
Eine Probezeit gilt, wenn der potenzielle Arbeitnehmer
- ein Arbeiter ist und einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, ohne ausdrücklich eine Probezeit zu vereinbaren, weil hier die Probezeit von 14 Tagen kraft Kollektivvertrages zum Tragen kommt,
- ein Arbeiter ist und einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, in dem ausdrücklich eine Probezeit von 14 Tagen vereinbart ist,
- ein Angestellter ist und einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, in dem ausdrücklich eine Probezeit von einem Monat vereinbart ist.
In allen diesen Fällen kann der potenzielle Arbeitnehmer nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes den Arbeitsvertrag ohne Konsequenzen noch vor Dienstantritt auflösen.
Die Tatsache, dass der potenzielle Arbeitnehmer den Dienst nicht antritt, wird - wenn er sich nicht ohnehin noch vorher meldet und absagt - unter Umständen als schlüssige Auflösung in der Probezeit gewertet werden können. Das wird beispielsweise dann der Fall sein, wenn sich - unerfreulich, aber wahr - herausstellt, dass der potenzielle Arbeitnehmer bereits bei einem
anderen Betrieb begonnen hat. Oft wird aber auch der Arbeitgeber in der Probezeit auflösen, weil er kein Interesse an einem unverlässlichen Mitarbeiter hat.
Resümee
Immer dann, wenn eine Probezeit gilt, hat der Nichtantritt des Dienstes durch den potenziellen Arbeitnehmer keinerlei Folgen und kann auch nicht mit einer Konventionalstrafe geahndet werden!
Keine Probezeit gilt, wenn der potenzielle Arbeitnehmer
- ein Arbeiter ist und einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, in dem keine Probezeit vereinbart ist oder
- ein Angestellter ist und einen befristeten oder unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat, in dem keine Probezeit vereinbart ist.
In allen diesen Fällen muss der potenzielle Arbeitnehmer, weil keine Probezeit gilt bzw. vereinbart ist, den Dienst antreten. Tut er dies nicht, liegt ein unberechtigter vorzeitiger Austritt des potenziellen Arbeitnehmers vor. Für einen solchen Fall des unberechtigten vorzeitigen Austritts hätte der Arbeitgeber die Möglichkeit, eine Konventionalstrafe zu vereinbaren.
Resümee
Immer dann, wenn keine Probezeit gilt, kann der Nichtantritt des Dienstes durch den potenziellen Arbeitnehmer mit einer Konventionalstrafe geahndet werden.
Höhe und Mäßigung einer Konventionalstrafe
Eine im Arbeitsvertrag vereinbarte Konventionalstrafe kann vom Arbeitsgericht aus Gründen der Billigkeit gemäßigt werden.
Aus der umfassenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes lassen sich folgende Kriterien dafür ableiten:
- der Umfang des Schadens, der dem Arbeitgeber entstanden ist, gegebenenfalls auch kein oder nur ein geringfügiger Schaden,
- die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, insbesondere die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Arbeitnehmers,
- die Art und das Ausmaß des Verschuldens des Arbeitnehmers,
- die Umstände der Vertragsverletzung durch den Arbeitnehmer.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sollte die Konventionalstrafe beim Arbeiter den Lohn für 14 Tage bzw. beim Angestellten das Gehalt für 1 Monat, jeweils bezogen auf die einzuhaltende Kündigungsfrist durch den Arbeitnehmer, nicht bzw. nicht weit überschreiten.
Durchsetzung einer Konventionalstrafe
Der Arbeitgeber muss den potenziellen Arbeitnehmer, der den Dienst nicht angetreten hat, auf Bezahlung der Konventionalstrafe klagen. Wird bei einer solchen Klage vom Gericht die
eingeklagte Konventionalstrafe beispielsweise auf 50 % gemäßigt, bleibt der Arbeitgeber auf seinen eigenen Kosten sitzen, weil bei einem Obsiegen von 50 % vor dem Arbeitsgericht Kostenaufhebung eintritt. Die Kosten des Arbeitgebers für seine Vertretung vor Gericht werden aber in vielen Fällen höher sein als das, was der Arbeitgeber tatsächlich vom Arbeitsgericht zugesprochen erhält.
Resümee
Der Arbeitgeber hat ein schlechtes Geschäft gemacht und dem guten Geld noch schlechtes hinterhergeworfen.
Dazu kommt ein weiterer Aspekt: Selbst dann, wenn der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht die eingeklagte Konventionalstrafe samt seiner Kosten für die Vertretung vor Gericht zur Gänze zugesprochen erhält, ist noch lange nicht gesagt, dass der potenzielle Arbeitnehmer, der den Dienst nicht angetreten hat, seiner Zahlungsverpflichtung auch nachkommt. In einem solchen Fall muss der Arbeitgeber dann Exekution gegen den potenziellen Arbeitnehmer führen und sich für den Fall, dass bereits vorrangige Pfändungen existieren, „hinten anstellen“.
Ist der potenzielle Arbeitnehmer aus dem Ausland, wird die gerichtliche Geltendmachung für den Arbeitgeber und eine etwaige Exekution, noch schwieriger, wenn nicht sogar aussichtslos.
Gesamtbeurteilung
Auf die Probezeit zu verzichten, um bei Nichtantritt des Dienstes durch den potenziellen Mitarbeiter eine vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe geltend zu machen, ist beim durchschnittlichen Mitarbeiter in der Hotellerie wenig sinnvoll. Wesentlich sinnvoller ist es, eine Probezeit zu vereinbaren, um dann, wenn der Mitarbeiter den Dienst tatsächlich antritt, in den ersten 14 Tagen beim Arbeiter bzw. im ersten Monat beim Angestellten die Möglichkeit zu besitzen, sich von diesem bei Problemen rasch und unbürokratisch zu trennen.
Dass es einzelne potenzielle Mitarbeiter gibt, die vertragsbrüchig werden und den Dienst nicht antreten, ist zwar für den Betrieb in der Hotellerie sehr oft schlimm, da eine Nachbesetzung in kurzer Zeit oft nicht oder nicht so schnell möglich ist. De facto sollte der Ärger über solche potenziellen Mitarbeiter aber geringer sein als der Ärger, wenn der Hotelbetrieb nach Arbeitsantritt eines Mitarbeiters feststellt, dass dieser doch nicht passt, er dessen Arbeitsvertrag aber nicht in der Probezeit auflösen kann - weil eben keine Probezeit gilt, sondern stattdessen eine Konventionalstrafe vereinbart wurde.
Stand: September 2019