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Insolvenzrecht - Neuigkeiten

Insolvenzrecht - Neuigkeiten

Die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (EU) 2019/1023 (RIRL) wurde mit dem Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (RIRUG) umgesetzt. Damit wurde einerseits ein neues Reorganisationsverfahren für Unternehmen durch Einführung der Reorganisationsordnung ("ReO"), die mit 17. Juli 2021 in Kraft getreten ist, geschaffen und andererseits die Insolvenzordnung ("IO") novelliert.

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Das Restrukturierungsverfahren

Gemäß § 1 Abs 3 ReO hat die Unternehmensleitung bei Eintritt einer "wahrscheinlichen Insolvenz" Schritte einzuleiten, um die Insolvenz und die Bestandfähigkeit sicherzustellen, wobei die Interessen der Gläubiger:innen, der Anteilsinhaber:innen und der sonstigen Interessenträger:innen angemessen zu berücksichtigen sind.

Eine "wahrscheinliche Insolvenz" liegt vor, wenn der Bestand des Unternehmens ohne Restrukturierung gefährdet wäre. Dies wäre insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Fall, also wenn sich aus einer Liquiditätsplanung ergibt, dass nicht alle fälligen Verbindlichkeiten innerhalb der nächsten zwölf Monate bezahlt werden können. Außerdem wird die "wahrscheinliche Insolvenz" vermutet, wenn die Eigenmittelquote des Unternehmens 8 % unterschreitet und die fiktive Schuldentilgungsdauer 15 Jahre übersteigt.

Ein Restrukturierungsverfahren zur Abwendung der "wahrscheinlichen Insolvenz" kann ausschließlich durch den oder die Schuldner:in beantragt werden. Grundsätzlich ist gemäß § 16 ReO Eigenverwaltung durch den/die Schuldner:in vorgesehen. In bestimmten Fällen kann das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten zur Unterstützung für Schuldner:innen und/oder Gläubiger:innen bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Restrukturierungsplans bestellen.

Unter den Begriff der "Restrukturierung" fallen alle Maßnahmen, die auf die Restrukturierung des Unternehmens des Schuldners bzw. der Schuldnerin abzielen; dazu gehören die Änderung der Zusammensetzung, der Bedingungen oder der Struktur der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten oder jedes anderen Teils der Kapitalstruktur des Unternehmens des Schuldners oder der Schuldnerin gehört, etwa durch den Verkauf von Vermögenswerten oder Geschäftsbereichen oder die Gesamtveräußerung des Unternehmens sowie alle erforderlichen operativen Maßnahmen oder eine Kombination dieser Elemente.

Antrag auf Einleitung des Restrukturierungsverfahrens bei Gericht

Der/die Schuldner:in hat im Antrag auf Einleitung des Restrukturierungsverfahrens das Vorliegen der "wahrscheinlichen Insolvenz" darzulegen und einen Restrukturierungsplan oder ein Restrukturierungskonzept, einen unterfertigten Finanzplan sowie die Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre beizulegen. Hat der/die Schuldner:in dem Antrag keinen Restrukturierungsplan angeschlossen, so hat er/sie darzulegen, dass mit dem Restrukturierungskonzept die Bestandfähigkeit des Unternehmens erreicht werden kann.

Der/die Schuldner:in kann entscheiden, welche Gläubiger:innen in den Restrukturierungsplan miteinbezogen werden (betroffene Gläubiger:innen), hat diese betroffenen Gläubiger:innen – sofern möglich – namentlich zu benennen und sie in folgende Gläubigerklassen (§ 29 ReO) einzuteilen:

  1. Gläubiger:innen mit Forderungen, für die ein Pfand oder eine vergleichbare Sicherheit aus dem Vermögen des Schuldners oder der Schuldnerin bestellt worden ist (besicherte Forderungen),
  2. Gläubiger:innen mit unbesicherten Forderungen,
  3. Anleihegläubiger:innen,
  4. schutzbedürftige Gläubiger:innen, insbesondere Gläubiger:innen mit Forderungen unter 10.000 Euro, und
  5. Gläubiger:innen nachrangiger Forderungen.

Die Auswahl der betroffenen Gläubiger:innen hat nach sachlich nachvollziehbaren Kriterien zu erfolgen.

Gläubigerinteressen

Die Restrukturierungsmaßnahmen haben auch die Gläubigerinteressen "angemessen" zu berücksichtigen. Dieses Kriterium ist im Sinne des § 35 ReO erfüllt, wenn kein:e ablehnende:r betroffene:r Gläubiger:in durch den Restrukturierungsplan schlechter gestellt wird als im Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung. Zum Vergleich ist das nächstbeste nach den Umständen des Falles voraussichtlich verwirklichbare Alternativszenario für den Fall, dass der Restrukturierungsplan nicht bestätigt werden sollte, heranzuziehen.

Bestätigung des Restrukturierungsplans

Zur Abstimmung über den Restrukturierungsplan hat das Gericht eine Tagsatzung in der Regel auf 30 bis 60 Tage nach Vorlage des Restrukturierungsplans anzuberaumen, wobei die Tagsatzung auch unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel zur Wort- und Bildübertragung durchgeführt werden kann. Der/die Schuldner:in hat den zur Abstimmung gelangenden Restrukturierungsplan den betroffenen Gläubiger:innen spätestens zwei Wochen vor der Abstimmung zu übermitteln.

Die Abstimmung erfolgt in Gläubigerklassen. Je Gläubigerklasse müssen mindestens 50 % der anwesenden Gläubiger:innen (Kopfmehrheit) und 75 % der betroffenen Forderungen (Kapitalmehrheit) zustimmen.

Ein Restrukturierungsplan, der nicht in jeder Gläubigerklasse von den betroffenen Gläubiger:innen angenommen worden ist, ist auf Antrag des Schuldners/der Schuldnerin dennoch vom Gericht zu bestätigen ("Klassenübergreifender Cram-down"), wenn 

(i) die Voraussetzungen für die Bestätigung erfüllt sind, 

(ii) ablehnende Gläubigerklassen gleichgestellt werden wie gleichrangige Klassen und bessergestellt werden als nachrangige Klassen und 

(iii) keine Gläubigerklasse mehr erhält als den vollen Betrag ihrer Forderungen. 

Wenn nur zwei Gläubigerklassen gebildet wurden, reicht die Annahme durch eine dieser Klassen aus.

Rechtswirkung und Rechtsmittel

Der vom Gericht bestätigte Restrukturierungsplan ist für alle im Restrukturierungsplan genannten betroffenen Gläubiger:innen und den/die Schuldner:in verbindlich. Gegen die Bestätigung des Restrukturierungsplans kann von jedem ablehnenden betroffenen Gläubiger oder Gläubigerin, gegen die Versagung der Bestätigung vom Schuldner oder der Schuldnerin und von jedem zustimmenden betroffenen Gläubiger oder Gläubigerin Rekurs erhoben werden.

Aufhebung des Restrukturierungsverfahrens & Frisches Geld

Mit Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung ist das Restrukturierungsverfahren aufgehoben.

Das RIRUG brachte auch eine wesentliche Änderung bei der Anfechtbarkeit wegen mittelbarer Gläubigerbenachteiligung und schützt insbesondere gerichtlich genehmigte neue Finanzierungen und Zwischenfinanzierungen. Diese sind in einem nach einer Restrukturierung eingeleiteten Insolvenzverfahren nicht mehr anfechtbar, sofern dem/der Anfechtungsgegner:in (Geldgeber:in) die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. der Schuldnerin nicht bekannt war (§ 36a IO).

Vereinfachtes Restrukturierungsverfahren

Wenn nur Finanzgläubiger:innen betroffene Gläubiger:innen sind, hat das Gericht gemäß § 45 ReO auf Antrag des Schuldners bzw. der Schuldnerin ein vereinfachtes Restrukturierungsverfahren einzuleiten und nach Einvernahme der betroffenen Gläubiger:innen ohne Durchführung einer Tagsatzung über die Bestätigung der Restrukturierungsvereinbarung zu entscheiden. Unter dem Begriff "Finanzgläubiger:in" sind Forderungen von Kredit- und Leasinginstituten, sowie auch sämtliche Forderungen mit Finanzierungscharakter, wie beispielsweise Forderungen von Lieferant:innen mit untypisch langen Laufzeiten (mehr als 180 Tage), zu verstehen.

Europäisches Restrukturierungsverfahren

Das Gericht hat auf Antrag des Schuldners/der Schuldnerin die Einleitung des Restrukturierungsverfahrens mit Edikt öffentlich bekannt zu machen.

Die Insolvenz

Wie erfährt man grundsätzlich von einer Insolvenz?

In der Insolvenzdatei erfolgt die öffentliche Kundmachung von Insolvenzeröffnungen, auch Gläubigerschutzverbände bieten entsprechende Services (wie etwa Insolvenzticker) und Produkte an.

Welche Insolvenzverfahren bzw. Sanierungsmöglichkeiten stehen zur Auswahl?

Allgemeines

Unternehmen können ein Sanierungsverfahren (mit oder ohne Eigenverwaltung), Konkursverfahren, Reorganisationsverfahren nach Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) sowie einen außergerichtlichen (stillen) Ausgleich anstreben. Für natürlichen Personen, also Privatpersonen (auch ehemalige Unternehmer:innen) oder Einzelunternehmer:innen, und somit auch für Geschäftsführer:innen und Gesellschafter:innen (nicht jedoch für die Gesellschaften selbst), ist ein sog. Schuldenregulierungsverfahren vorgesehen.

Bei sämtlichen Insolvenzverfahren herrscht das Antragsprinzip (Dispositionsgrundsatz). Ein Antrag auf Eröffnung eines Sanierungs- oder Konkursverfahrens ist zudem binnen 60 Tagen (diese Frist verlängert sich in besonderen Fällen, siehe unten) ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu beantragen und wird vom zuständigen Insolvenzgericht nach Überprüfung der gesetzlichen Voraussetzungen eröffnet oder mangels kostendeckenden Vermögens abgewiesen. Im Falle einer Abweisung eines Antrages auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird das Verfahren zum Entzug der Gewerbeberechtigung durch die Gewerbebehörde eingeleitet und aller Voraussicht nach entzogen und der/die Schuldner:in aus dem Firmenbuch gelöscht.

Materielle Insolvenz

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass der/die Schuldner:in entweder zahlungsunfähig iSd § 66 IO oder überschuldet iSd § 67 IO ist. Die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens ist bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit möglich.

Zahlungsunfähigkeit liegt immer dann vor, wenn der/die Schuldner:in mangels liquider Mittel nicht nur vorübergehend außerstande ist, fällige Geldforderungen regelmäßig zu erfüllen. Unschädlich ist hingegen eine Zahlungsstockung, die einen bloß vorübergehenden, kurzfristigen Liquiditätsmangel darstellt und kein Insolvenzgrund ist. Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Passiva die Aktiva (zu Liquidationswerten) übersteigen und zu dieser rechnerischen Überschuldung eine negative Fortbestehungsprognose hinzutritt.

Während die Zahlungsunfähigkeit bei allen Schuldner:innen einen Insolvenzgrund darstellt, kommt die Überschuldung nach § 67 IO bei juristischen Personen und eingetragenen Personengesellschaften, bei denen kein:e unbeschränkt haftende:r Gesellschafter:in eine natürliche Person ist (zB GmbH & Co KG), als Insolvenzgrund in Frage.

Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (§§ 140 ff IO)

Für ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung muss zusätzlich zu dem Antrag auf Verfahrenseröffnung die Annahme des (diesem Antrag beizulegenden) Sanierungsplans beantragt werden. Den Gläubiger:innen muss dabei eine Quote von zumindest 20 % innerhalb von zwei Jahren angeboten werden.

Mit der Eröffnungsentscheidung hat das Gericht eine Sanierungsplantagsatzung auf 60-90 Tage nach der Eröffnung anzusetzen, die zumeist mit einer Prüfungstagsatzung verbunden wird. In dieser Tagsatzung werden die angemeldeten Forderungen in ein Anmeldungsverzeichnis aufgenommen, die Erklärungen des Insolvenzverwalters/der Insolvenzverwalterin und Schuldners bzw. der Schuldnerin zu den angemeldeten Forderungen eingeholt und die Entscheidung über die Fortführung bzw. Schließung des Unternehmens getroffen.

Außerdem wird vor oder gemeinsam mit der Sanierungsplan- und Prüfungstagsatzung eine erste Gläubiger:innenversammlung durchgeführt, welche vor allem der Glaubhaftmachung der Forderungen der Gläubiger:innen dienen soll.

Der Antrag auf Annahme des Sanierungsplans muss innerhalb von 90 Tagen nach der Eröffnung des Sanierungsverfahrens von der Mehrheit der Insolvenzgläubiger:innen angenommen werden. Ist dies der Fall, wird das Sanierungsverfahren aufgehoben, der/die Schuldner:in erlangt die Verfügungsfähigkeit über dasUnternehmen zurück und die Restschulden erlöschen. Scheitert der Sanierungsplanantrag ist die Änderung der Bezeichnung auf Konkursverfahren vorzunehmen und öffentlich bekannt zu machen.

Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung (§§ 169 ff IO)

Der Verfahrensablauf des Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung entspricht grundsätzlich jenem des Sanierungsverfahrens ohne Eigenverwaltung. Der Sanierungsplan muss jedoch schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen und den Gläubiger:innen muss dabei eine Quote von zumindest 30 % innerhalb von zwei Jahren angeboten werden. Außerdem kann der/die Schuldner:in unter der Aufsicht eines Sanierungsverwalters bzw. einer Sanierungsverwalterin über das Vermögen verfügen.

Die Eigenverwaltung ist allerdings nur auf die ersten 90 Tage nach Verfahrenseröffnung beschränkt. Wird der Sanierungsplan also nicht innerhalb von 90 Tagen angenommen, wird dem/der Schuldner:in die Eigenverwaltung entzogen und ist die Änderung der Bezeichnung auf Konkursverfahren vorzunehmen, ansonsten behält der/die Schuldner:in die Eigenverwaltung für die restliche Verfahrensdauer.

Durch das RIRUG wurde zusätzlich klargestellt, dass bei einem Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung

(i) Verfügungen des Schuldners bzw. der Schuldnerin über die Insolvenzmasse nur noch wirksam sind, wenn das Insolvenzgericht diesen zustimmt,

(ii) Verbindlichkeiten, die der/die Schuldner:in nach Eröffnung des Verfahrens begründet, nur noch dann Masseforderungen sind, wenn das Insolvenzgericht der Begründung der Verbindlichkeit zustimmt, und

(iii)  dem/der Schuldner:in nicht das Recht zusteht, die kridamäßige Verwertung der Insolvenzmasse (Betreibung oder Verwertung über das Gericht) zu beantragen.

Konkursverfahren

Die Eröffnung eines Konkursverfahrens kann durch den/die Schuldner:in selbst oder eine:n Gläubiger:in beantragt werden. Bei einem Insolvenzantrag durch eine:n Gläubiger:in muss diese:r glaubhaft machen, dass er/sie eine Konkursforderung hat und der/die Schuldner:in zahlungsunfähig ist.

Im Falle der Eröffnung des Konkursverfahrens bestellt das Gericht eine:n Insolvenzverwalter:in. Die Verfügungsgewalt über die Insolvenzmasse (Unternehmen, Vermögen) geht dadurch vom Schuldner/der Schuldnerin auf den/die Insolvenzverwalter:in über.

Es folgt die Prüfphase, in der der/die Insolvenzverwalter:in ermittelt, ob das Unternehmen saniert und fortgeführt oder wie das Vermögen sinnvoll liquidiert werden kann. Die Entscheidung darüber fällt die Berichtstagsatzung, die auch den Zweck der ersten Gläubiger:innenversammlung (siehe zuvor zu Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung) erfüllen kann und somit – bei Zusammenlegung – entfallen kann. Es folgt die Forderungsanmeldung der Gläubiger:innen, über die in der allgemeinen Prüfungstagsatzung entschieden wird. Die Berichtstagsatzung und die Prüfungstagsatzung können auch zusammengelegt werden.

Das Konkursverfahren endet mit der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse. Anschließend ist darüber Rechnung zu legen.

Außergerichtlicher (stiller) Ausgleich

Vor Beantragung eines Insolvenzverfahrens besteht die Möglichkeit eines außergerichtlichen Ausgleichs mit sämtlichen Gläubiger:innen. Dafür muss der/die Schuldner:in den Gläubiger:innen, die über fällige Ansprüche verfügen, anbieten, einen Teilbetrag der Schulden zu bezahlen. Dabei kann er bzw. sie den angebotenen Teil entweder sofort oder in Raten zahlen. Jedoch ist der außergerichtliche Ausgleich nur dann möglich, wenn alle Gläubiger:innen diesem spätestens 60 Tage nach Vorliegen der Insolvenz zustimmen.

Privatinsolvenzverfahren / Schuldenregulierungsverfahren (§§ 181 ff IO)

Den Insolvenzantrag kann der/die Schuldner:in oder auch der/die Gläubiger:in stellen. Den eigentlichen Antrag auf Privatinsolvenz (nämlich die Anträge auf Annahme eines Zahlungsplans und Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens) kann jedoch nur der/die Schuldner:in selbst stellen.

Im Privatinsolvenzverfahren besteht zuerst die Möglichkeit, einen Sanierungsplan abzuschließen. Scheitert dieser Versuch, kommt es zur Vermögensverwertung. Danach kommt es auf Antrag zum Versuch eines Zahlungsplans. In diesem muss Insolvenzgläubiger:innen mindestens eine Quote angeboten werden, die der Einkommenslage des Schuldners bzw. der Schuldnerin in den folgenden 3 Jahren entspricht. Scheitert auch der Zahlungsplan, kommt es zum Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung. Hierbei erhalten die Gläubiger:innen keine vorbestimmte Quote und ihre Zustimmung ist nicht mehr erforderlich.

Im Zuge des Abschöpfungsverfahrens sind gemäß § 199 IO sämtliche pfändbaren Teile des Einkommens des Schuldners bzw. der Schuldnerin für 3 Jahre (Abschöpfungsverfahren mit Tilgungsplan) bzw. 5 Jahre (Abschöpfungsverfahren mit Abschöpfungsplan) an eine:n Treuhänder:in abgetreten, sodass dem Schuldner oder der Schuldnerin für diesen Zeitraum nur das Existenzminimum verbleibt. Im Gegensatz zum Zahlungsplan hat der/die Schuldner:in sämtliche während dieser Zeit erlangten Vermögensvorteile (z.B. Schenkung, Gehaltserhöhung) herauszugeben.

Nach Ablauf der 3 bzw. 5Jahre hat das Gericht das Abschöpfungsverfahren, das nicht eingestellt wurde, für beendet zu erklären und gleichzeitig die Restschuldbefreiung auszusprechen. Dies bedeutet, dass der/die Schuldner:in von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubiger:innen befreit ist.

Reorganisationsverfahren nach URG

Will sich ein bestandsgefährdetes, aber noch nicht insolventes Unternehmen einer Reorganisation unterziehen, so kann es die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz beantragen. Reorganisationsbedarf ist insbesondere bei einer vorausschauend feststellbaren wesentlichen und nachhaltigen Verschlechterung der Eigenmittelquote anzunehmen. Dies hat das Unternehmen durch Urkunden, wie etwa die Jahresabschlüsse für die letzten 3 Jahre, andere Unterlagen des Rechnungswesens oder das Gutachten eines Wirtschaftsfachmanns oder -fachfrau, glaubhaft zu machen und kann auch einen Reorganisationsplan beilegen.

Liegen die Voraussetzungen vor, leitet das Gericht das Verfahren mittels Beschlusses ein und bestellt eine:n Reorganisationsprüfer:in. Der/die Unternehmer:in hat (spätestens 90 Tage nach Verfahrenseinleitung) einen Reorganisationsplan zu erstellen, der binnen 30 Tagen vom Prüfer oder der Prüferin zu begutachten ist. Fällt die Prüfung positiv aus, wird das Verfahren aufgehoben und die (begrenzten) materiellen Wirkungen treten ein. Bei negativem Ergebnis ist das Verfahren einzustellen; spezielle Wirkungen bleiben dann aus.

Da die Beantragung eines Reorganisationsverfahrens nach URG nicht verpflichtend ist, hatte dieses Verfahren seit seiner Einführung keine große Praxisrelevanz erlangen können. Zu beachten sind jedoch die Haftungsregelungen des URG. Danach haften gemäß § 22 Abs 1 URG Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer:innen abschlussprüfungspflichtiger Gesellschaften bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, wenn innerhalb der letzten 2 Jahre vor Eröffnung

(i) der Bericht des Abschlussprüfers/der Abschlussprüferin eine Eigenmittelquote von weniger als 8 % und eine fiktive Schuldentilgungsdauer von mehr als 15 Jahren aufweist und nicht unverzüglich ein Reorganisationsverfahren beantragt oder gehörig fortgesetzt wird, oder

(ii) ein Jahresabschluss nicht oder nicht rechtzeitig aufgestellt oder ein:e Abschlussprüfer:in nicht unverzüglich mit dessen Prüfung beauftragt wurde. Aufsichtsratsmitglieder und Gesellschafter:innen haften gemäß § 25 URG, wenn das Vertretungsorgan die Verfahrenseinleitung vorgeschlagen hat, sie aber erfolgreich gegen die notwendige Zustimmungserteilung gestimmt haben.

120 statt 60 Tage bei Insolvenz wegen Naturkatastrophen sowie Pandemie?

Trotz allen Bemühungen redlicher Unternehmer:innen und allen Förderhilfen kann ein unternehmerischer Weg in die eine vorübergehende Zahlungsstockung übersteigende Zahlungsunfähigkeit führen. Zur Bereinigung einer solchen Ausnahmesituation gibt es die zuvor beschriebenen Instrumente des Insolvenzrechts und es ist Pflicht und Recht diese zeitgerecht in Anspruch zu nehmen. Einzubringen ist der Antrag auf Einleitung des Insolvenzverfahrens (Sanierungs- oder Konkursverfahren) bei Eintritt der materiellen Insolvenz – wie bereits zuvor erwähnt – grundsätzlich spätestens binnen 60 Tagen ab Zahlungsunfähigkeit. Diese Frist wird im Falle von Naturkatastrophen und damit vergleichbaren Situationen auf 120 Tage verlängert (§ 69 Abs 2a IO). Durch das 2. COVID-19-Gesetz wurde § 69 Abs 2a IO dahingehend abgeändert, dass die Verlängerung der Frist auf 120 Tage nunmehr auch für den Fall einer Pandemie oder Epidemie gilt.

Die verlängerte Antragsfrist von 120 Tagen kann eingeräumt werden, wenn der/die Schuldner:in zwar unmittelbar in massive Liquiditätsschwierigkeiten gerät, aber aufgrund zu erwartender Entschädigungszahlungen damit rechnen kann, den Zahlungspflichten wieder nachkommen zu können.

Was passiert, wenn die Insolvenz von der Geschäftsführung nicht rechtzeitig beantragt wird?

Die Pflicht, bei Eintritt der materiellen Insolvenz ohne schuldhaftes Verzögern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, zu verletzen löst Haftungsfolgen aus. Der/die Geschäftsführer:in haftet in einem solchen Fall den Gläubiger:innen gegenüber für jene Quote persönlich, die die Gläubiger:innen – bei rechtzeitiger Eröffnung des Insolvenzverfahrens – tatsächlich bekommen hätten (sog. Altgläubiger:innen) sowie den Vertrauensschaden jener Gläubiger:innen, die mit der insolventen Gesellschaft gar keine geschäftliche Beziehung eingegangen wären (sog. Neugläubiger:innen). Den/die Geschäftsführer:in trifft die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Handeln eingetreten wäre.

Ferner kann der/die Geschäftsführer:in für Abgabenforderungen gegenüber dem Bund und für Beitragsschulden gegenüber dem Sozialversicherungsträger haften, sofern diese infolge schuldhafter Verletzung der dem/der Geschäftsführer:in auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Wie kommen Gläubiger:innen zu ihrem Geld im Insolvenzverfahren?

Aus der Sicht der Gläubiger:innen ist die rechtzeitige und vollständige Forderungsanmeldung wichtig. Aussonderungsgläubiger:innen, Absonderungsgläubiger:innen und Massegläubiger:innen bekommen ihre Forderung zur Gänze, Insolvenzgläubiger:innen bekommen eine Quote, d.h. einen prozentuellen Anteil an der verbleibenden Masse. Gläubiger:innen mit nachrangigen Forderungen werden nach allen anderen Gläubiger:innen in der Insolvenz befriedigt.

Was passiert mit den Arbeitsverhältnissen bei Konkurseröffnung?

Arbeitsverhältnisse werden von der Eröffnung eines Konkursverfahrens vorerst nicht berührt. Für die Ausübung der Arbeitgeberrechte und -pflichten ist zwischen Konkursverfahren und Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung einerseits und Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung andererseits zu unterscheiden. Während im Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung grundsätzlich der/die Schuldner:in Arbeitgeber:in bleibt, übt sowohl im Konkursverfahren als auch im Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung der/die Insolvenzverwalter:in die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin aus.

Arbeitnehmer:innen können die Bezahlung ihrer offenen Ansprüche durch den Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) bei der IEF-Service GmbH rückwirkend beantragen. Auch Beendigungshandlungen der Arbeitsverhältnisse können trotz Insolvenz gesetzt werden. Rückwirkend bis 6 Monate werden Entgelt, Urlaubsersatzleistungen, Sonderzahlungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld), Abfertigungen (alt) oder Kündigungsentschädigungen, je Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, vom Insolvenz-Entgelt-Fonds bezahlt. Ältere Ansprüche sind nur gesichert, wenn sie beim Arbeitsgericht innerhalb von 6 Monaten (ab Fälligkeit) eingeklagt werden.

Wie setzt sich der Betrag zusammen, den Gläubiger:innen als Forderung anmelden?

Der für die Forderungsanmeldung anzumeldende Betrag ergibt sich aus der offenen Forderung, Kosten und Zinsen. Angemeldet wird alles als ein Gesamtbetrag unter Aufschlüsselung der einzelnen Positionen. Bei der Berechnung wird vielfach die Hofmannsche Formel herangezogen. Um Bestreitung durch den/die Schuldner:in zu vermeiden, macht es Sinn, den Rechtsgrund der Forderung (z.B. Kaufvertrag) oder den der Forderung zugrunde liegenden Sachverhalt möglichst nachvollziehbar darzustellen sowie der Forderungsanmeldung entsprechende Nachweise beizulegen. Unterstützung bei der Forderungsanmeldung erhält der/die Unternehmer:in bei seiner rechtsfreundlichen Beratung oder den Gläubigerschutzverbänden.  Arbeitnehmer:innen können sich auch an die Arbeiterkammer wenden.

Bringt die Insolvenzeröffnung dem/der Schuldner:in Erleichterungen in der Situation?

Die Insolvenzeröffnung bringt eine Exekutionssperre für Insolvenzgläubiger:innen und nachrangige Gläubiger:innen und das Pfändungspfandrecht erlischt mit Verfahrenseröffnung, wenn nicht das Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens aufgehoben wird. Wenn es für die Fortführung des Unternehmens gefährdend wäre, diese zu befriedigen, kommt es zur Zwangsstundung/Verlängerung der Frist der Ab- und Aussonderungsrechte. Durch Erfüllung eines Sanierungsplans, Erfüllung eines Zahlungsplans oder Erteilung einer Restschuldbefreiung im Rahmen eines Abschöpfungsverfahrens entstehen Schuldnachlässe. Gewinne aufgrund von Schuldnachlässen in Insolvenzverfahren mit Auswirkungen auf Einkommens- bzw. Körperschaftssteuer unterliegen einer begünstigten Besteuerung.  

Was ist zum Ablauf des Insolvenzverfahrens während der Corona-Krise zu bedenken?

Die Gläubiger:innen sollten schon bei der Forderungsanmeldung eine E-Mailadresse angeben. Die Tagsatzungen finden bevorzugt nicht im Gerichtsgebäude statt sondern dezentral per verschlüsselter Videokonferenz. Gläubiger:innen, die dies unterlassen, werden keinen Link für die Teilnahme an der Videokonferenz erhalten und daher an der Tagsatzung nicht teilnehmen können. Im Hinblick auf die derzeitige Sondersituation empfiehlt es sich zur gesicherten Teilnahme an der Tagsatzung, sich von einem Gläubigerschutzverband oder einem Rechtsanwalt vertreten lassen.

Wir danken unserer Partner-Kanzlei sms.law für die Aufbereitung dieser Inhalte.

November 2022

Ihre Ansprechpartnerin

Mag. Maria Wottawa

Mag. Maria Wottawa

Rechtsservice E-Mail senden +43 1 5330952-14
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