
Barrierefreiheit: Grundlagen und Empfehlungen
Was bedeutet das Barrierefreiheitsgesetz für die Hotellerie? Wann ist eine Website barrierefrei und welche gesetzlichen Regelungen gibt es dazu?
Lesezeit:
Kostenloses Webinar
-
Das Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus bietet am 29. April 2025 von 14:00-14:45 Uhr ein kostenloses Webinar zum Thema "Digitale Barrierefreiheit im Tourismus" an.
Im Fokus stehen wesentlichen Regelungen des Barrierefreiheitsgesetzes, Hinweise zur Umsetzung der digitalen Barrierefreiheit und die Beantwortung Ihrer Fragen. Es präsentieren und diskutieren:
Mag.a Andrea Karl, Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft, WKO
Katrin Erben, Österreich Werbung
Johannes Auer, Oberösterreich Tourismus GmbH
Die Barrierefreiheit ist essentiell für 10 % der Bevölkerung, notwendig für 40 % und komfortabel für 100 % der Bevölkerung. Nach dem Behindertengleichstellungsrecht müssen Güter und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, diskriminierungsfrei – also auch ohne Barrieren - angeboten werden.
Der Schutz gegen Diskriminierung im täglichen Leben ist im Bundes- Behindertengleichstellungsgesetz geregelt. Das Behinderteneinstellungsgesetz regelt den Diskriminierungsschutz in der Arbeitswelt. Diese beiden Gesetze enthalten keine konkreten Bestimmungen über die Ausgestaltung der Barrierefreiheit. Wesentlich im Bereich der Barrierefreiheit sind über die gesetzlichen Regelungen hinaus Richtlinien und Normen, die aber nur Empfehlungs-Charakter haben.
Das Barrierefreiheitsgesetz soll sicherstellen, dass digitale Produkte und Dienstleistungen für alle Menschen zugänglich sind und tritt in Österreich mit 28. Juni 2025 in Kraft.
Barrierefreiheitsgesetz
Eckdaten zum Barrierefreiheitsgesetz (BaFG)
- Das BaFG gilt unter anderem für Unternehmen, die Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr an Verbraucher:innen anbieten (z.B. Online-Shops). Betroffen sind somit auch Hotel- und Reiseportale, auf denen Buchungen getätigt werden können und generell alle Online-Termin-Buchungs-Tools (auch Apps).
- Die Barrierefreiheitsanforderungen erstrecken sich auf jeden Fall auf jene Teile, mit denen die Dienstleistung erbracht wird und die dafür erforderlich sind (z.B. auch schon der Cookie-Banner beim Einstieg und der Weg bis zur Buchungsmöglichkeit).
Ausgenommen sind Kleinstunternehmen mit weniger als 10 Mitarbeiter:innen und entweder einen maximalen Jahresumsatz von 2 Mio. Euro oder eine maximale Jahresbilanzsumme von 2 Mio. Euro haben oder wenn die Umsetzung zu einer grundlegenden Veränderung der Dienstleistung oder zu einer unverhältnismäßigen organisatorischen oder finanziellen Belastung für das Unternehmen führen würde.
Welche Anforderungen ergeben sich aus dem BaFG?
Produkte und Dienstleistungen sind barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind und folgenden Anforderungen genügen:
- Die Informationen werden über mehr als einen sensorischen Kanal bereitgestellt,
- sie werden in verständlicher Weise dargestellt (einfache Sprache),
- sie werden den Nutzer:innen auf eine Weise dargestellt, die sie wahrnehmen können (z.B. auch Blinde oder Gehörlose),
- der Informationsinhalt wird in Textformaten zur Verfügung gestellt, die sich zum Generieren alternativer assistiver Formate eignen (z.B. Screenreader), die von Nutzern in unterschiedlicher Form dargestellt werden und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können,
- sie werden in einer Schriftart mit angemessener Schriftgröße und geeigneter Schriftform unter Berücksichtigung der vorhersehbaren Nutzungsbedingungen und mit ausreichendem Kontrast sowie anpassbarem Abstand zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt,
- es wird eine alternative Darstellung des Inhalts angeboten, wenn Elemente mit Nicht-TextInhalten enthalten sind (Bilder, Videos), und
- die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen elektronischen Informationen werden auf kohärente und angemessene Weise bereitgestellt, indem sie wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden.
4 Prinzipien - Was bedeutet wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust?
Besonders suchmaschinenfreundlich umgesetzte Internetauftritte decken bereits einen großen Teil der Barrierefreiheitsanforderungen ab. Unser ÖHV-Partner, die Internet Agentur ncm.at, hat die 4 Grundprinzipien wie folgt zusammengefasst:
1. Wahrnehmbar
Die Benutzer:innen müssen die Webseite wahrnehmen können. Eine gehörlose Person kann Audio-Clips nicht hören, eine blinde Person kann Bilder nicht sehen. Sind solche Elemente ohne weitere Informationen auf einer Webseite vorhanden, ist sie nicht für alle Benutzer:innen komplett wahrnehmbar und das erste Prinzip nicht erfüllt. Es müssen daher Alternativen angeboten werden:
- Textalternativen für grafische Inhalte anbieten (z.B. korrekte Bildbeschriftung)
- Zeitbasierte Medien - Untertitel für Audio- und Videodateien
- Anpassbar - Inhalt und Struktur trennen, damit Information und „verstehen der Website-Inhalte“ durch Textalternativen bzw. spezieller Software wahrnehmbar ist
- Unterscheidbar - gute Kontraste und flexible Darstellung (Farben, Schriftgrößen)
2. Bedienbar
Die Benutzer:innen müssen die Webseite bedienen können. Viele Internetnutzer:innen können keine Maus verwenden. Um dieses Prinzip zu erfüllen, muss eine Webseite daher beispielsweise komplett per Tastatur bedienbar sein.
- Per Tastatur zugänglich- mit der Tastatur bedienbar
- Ausreichend Zeit - genügend große Timeouts, (beispielsweise bei Verwendung von Bildwechsel)
- Anfälle - das Design darf keine Anfälle verursachen (bewegte, blinkende, schrille, laute Elemente vermeiden)
- Navigierbar - Navigationshilfen und Ortsangaben anbieten (Titel, Reihenfolge bei Tastennavigation, Linktexte, Beschriftungen, …)
3. Verständlich
Die Benutzer:innen müssen die Information auf der Webseite und Bedienung verstehen können. Um dieses Prinzip zu erfüllen, muss beispielsweise der Aufbau der Seite so klar wie möglich sein und Texte müssen so einfach wie möglich gehalten werden.
- Lesbar - definierte Sprache und einfache und verständliche Texte
- Vorhersehbar - konsistenter Aufbau und gute Selbsterklärbarkeit
- Hilfestellung bei der Eingabe - Eingabehilfen und aktive Fehlervermeidung
4. Robust
Die Benutzer:innen müssen mit verschiedenen Browsern und Hilfsprogrammen auf die Webseite zugreifen können. Um die Kompatibilität zu verbessern, muss auf eine korrekte Syntax im HTML-Code geachtet werden.
- Kompatibel - maximale Kompatibilität mit Browsern und Hilfsmitteln
Was ist zu tun?
- Machen Sie eine Bestandsaufnahme!
Nutzen Sie Tools wie einen Contrast Checker (z.B. von Adobe oder WebAIM), einen Screenreader oder Sprachchecker um herauszufinden, wie barrierefrei Ihre Website aktuell ist. Das World Wide Web Consortiums (W3C) stellt einen Easy Check zur Verfügung. Besprechen Sie etwaige Mängel mit Ihrem Website-Verantwortlichen. - Nehmen Sie technische Anpassungen vor!
Damit Screenreader Texte korrekt vorlesen können, müssen Inhalte mit HTML-Tags entsprechend strukturiert sein. Ergänzen Sie Bilder und Buttons mithilfe sogenannter Alt-Texte um Beschreibungen, die ein Screenreader vorlesen kann. Die Website muss vergrößert werden können und auch nur mit Tastatur bedienbar sein. - Optimieren Sie Design und Inhalt!
Achten Sie auf ausreichend Kontrast, genügend große Abstände der Zeilen, Buchstaben und Absätze eines Texts sowie die schnelle Erfassbarkeit von Inhalten. Bevorzugen Sie bekannte und schnörkellose Schriftarten und vermeiden Sie komplizierte Begriffe und Schachtelsätze. - Testen Sie Barrierefreieheit regelmäßig!
Barrierefreiheitserklärung
Unternehmen, die unter das BaFG fallen, müssen eine sogenannte Barrierefreiheitserklärung auf ihrer Website (z.B. neben dem Impressum und der Datenschutzerklärung) bereitstellen. Diese sollte den aktuellen Stand der Barrierefreiheit der Website dokumentieren und regelmäßig aktualisiert werden.
Welche Inhalte muss die Barrierefreiheitserklärung umfassen?
Die Barrierefreiheitserklärung sollte die relevanten Anforderungen sowie die Gestaltung und Umsetzung der Dienstleistung abdecken. Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format.
- Erläuterungen und Informationen, die für das Verständnis der Durchführung der Dienstleistung notwendig sind.
- Eine Darstellung, inwiefern die Dienstleistung die geltenden Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt
Zum Thema Barrierefreiheitserklärung gibt es eine Musterformulierung der Wirtschaftskammer. Die FFG hat auch Musterformulierungen, die zwar für die Websites des Bundes gelten, aber in abgewandelter Form verwendet werden können.
Übergangsfristen
Dienstleister:innen können ihre Dienstleistungen bis zum 27. Juni 2030 weiterhin unter Einsatz von Produkten erbringen, die von ihnen bereits vor dem 28. Juni 2025 zur Erbringung dieser oder ähnlicher Dienstleistungen rechtmäßig eingesetzt wurden.
Vor dem 28. Juni 2025 vereinbarte Dienstleistungsverträge bis zu ihrem Ablauf, allerdings nicht länger als fünf Jahre ab diesem Datum, dürfen unverändert fortbestehen (§ 37 Abs. 2 BaFG). Bis dahin müssen die Vertragsparteien ihre bestehenden Verträge entweder durch Änderungen an die Barrierefreiheitsanforderungen des BaFG anpassen oder sie beenden.
Um den Dienstleister:innen ausreichend Zeit zur Anpassung an die Anforderungen dieses Gesetzes zu geben, ist ein Übergangszeitraum von fünf Jahren vorgesehen, während dessen Produkte, die zur Erbringung von Dienstleistungen bestimmt sind und vor dem 28. Juni 2025 in Verkehr gebracht wurden, den Barrierefreiheitsanforderungen dieses Gesetzes nicht zu entsprechen brauchen. Es sei denn, sie werden von den Dienstleister:innen während dieses Übergangszeitraums ersetzt.
Vor dem 28. Juni 2025 eingesetzte Selbstbedienungsterminals dürfen bis 28. Juni 2040, maximal aber bis 20 Jahre nach der ersten Ingebrauchnahme, verwendet werden (§ 37 Abs. 3 BaFG).
Wie hoch sind Strafen?
Bei Verstößen drohen Geldstrafen von bis zu 80.000 Euro. In den Erläuterungen zum Gesetz gibt es eine ausdrückliche Klarstellung, dass im Falle einer erstmaligen oder geringfügigen Übertretung dem Grundsatz „Beraten vor strafen“ besondere Bedeutung beigemessen wird. Für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Kleinstunternehmen gelten geringere Maximalstrafen.
Achtung: Alle Konsument:innen sowie der Verein für Konsumenteninformation (VKI) haben das Recht, das zuständige Sozialministeriumsservice auf mögliche Übertretungen hinzuweisen!