Rekord-Teilzeitquote senken
Doch die Wochenarbeitszeit sinkt seit Jahren kontinuierlich: Sie lag 2004 lt. Statistik Austria noch bei 35,7 Stunden und sank seither – blendet man die minimale Erholung vom pandemiebedingten Rekordtief 2020 aus – kontinuierlich, auf 30 Wochenstunden 2023: ein Rückgang um 16%. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten lag 2013 bei 26,8%, 2023 bei 30,9%: Die Teilzeitquote liegt damit auf einem nie dagewesenen Rekordhoch. Lücken in den Teams erschweren innerbetriebliche Prozesse, gefährden die Dienstleistungsqualität – ein absoluter USP und Hebel für die Preisdurchsetzung im österreichischen Tourismus im internationalen Wettbewerb – und verschärft den Wettbewerb um Mitarbeiter:innen vor dem Hintergrund von Geburtenrückgang und Pensionierungswelle zusätzlich. Es erhöht außerdem den innerbetrieblichen Aufwand im Recruiting, bei der Mitarbeiter-Einsatzplanung und in der Lohnverrechnung. Das fordert dienstleistungsintensive Branchen und hier vor allem das Qualitätssegment ganz besonders. Es braucht dringend Leistungsanreize.
In Summe wird die sich verschärfende Situation zur Existenzfrage für den Standort und einer harten Prüfung für das Sozialsystem: Finanzieren heute drei Personen im Erwerbsleben eine im Pensionsalter, werden es schon 2040 nur mehr zwei sein. Wie sich das auf die Steuer- und Abgabenquote und damit auf die Attraktivität von Erwerbsarbeit und Standort auswirkt, lässt sich noch nicht ausmalen. Klar ist, dass gehandelt werden muss – und zwar rasch und effektiv. Dem Rückgang der Arbeitsleistung kann auf mehrere Arten entgegengewirkt werden: mehr Beschäftigte, weniger Teilzeit, eine Anpassung der Lebensarbeitszeit und weitere Anreize, um auch in der Pension noch aktiv am Arbeitsleben teilzunehmen. Österreich braucht alle.
Offene Stellen: hohe volkswirtschaftliche Verluste
Den hohen Mitarbeiter:innenbedarf in der Qualitätshotellerie mit Beschäftigten aus der Region zu decken ist sowohl in weniger stark besiedelten Feriendestinationen als auch im urbanen Raum mit mehr Konkurrenz durch andere Arbeitgeber:innen fast nicht machbar. Mittlerweile können 49% der Hotels nicht alle Stellen besetzen, 62% von ihnen im Service, 55% in Rezeption und Küche, 38% auf der Etage. Berechnungen von EcoAustria zufolge führt das zu einem durchschnittlichen Umsatzrückgang um 7,4%. Das zieht enorme volkswirtschaftliche Schäden nach sich. Inklusive direkter und indirekter Effekte beläuft sich das auf einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 1,2 Mrd. Euro pro Jahr und den Verlust von 9.500 Vollzeit-Arbeitsplätzen.
Breiter Maßnahmenmix erforderlich
Die Saisonnier-Kontingente von 2.163 im Jahr 2021 auf 4.295 im Jahr 2024 zu erhöhen war daher wichtig und richtig. Die Bilanz der Rot-Weiß-Rot-Karte auf der einen Seite und die nach wie vor hohe und allen Prognosen zufolge mittel- und langfristig noch steigende Zahl an offenen Stellen zeigt: Es braucht darüber hinaus einen breiten Maßnahmenmix, um diese Herausforderung zu bewältigen.
Bremsen lösen, Leistung belohnen!
Ein besonders vielversprechender Ansatz ist die Ankerkennung der Tatsache, dass Erwerbsarbeit dem Erwirtschaften des Lebensunterhalts dient – dass also der ökonomische Output von Arbeit zentrale Motivation dafür ist. Österreichs Politik betrachtet die Erwerbsarbeit ihrer Wähler:innen dagegen in erster Linie als Mittel zum Zweck, die Kassen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungsträgern zu füllen: Österreichs Steuereinnahmen stiegen von 72,5 Mrd. Euro im Jahr 2013 um 41,4% auf 102,5 Mrd. Euro 2023: ein beachtliches Plus! Doch die Lohnsteuereinnahmen stiegen im selben Zeitraum noch stärker, von 22,5 Mrd. Euro auf 36,2 Mrd. Euro, ein Plus von nur schwer nachvollziehbaren 61,1%. Der Anteil der Lohnsteuer an den gesamten Steuereinnahmen war mit 31% schon 2013 zu hoch und stieg bis 2023 auf 35,3%. Das schadet dem Standort massiv.
Das braucht ein starker Tourismus
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Arbeitszeitgesetz weiter flexibilisieren und modernisieren
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Arbeitslosengeld reformieren
Gebot der Stunde: Abgabenquote merklich senken!
Die Entlastung der Arbeit, begonnen mit dem Einbremsen der Kalten Progression, muss konsequent fortgeführt werden und höchste Priorität bekommen. Das Ziel: Investitions- und Leistungsbremsen lösen! Der direkte Weg dorthin führt über die Senkung der Steuer- und Abgabenquote von aktuell 43,2% – der dritthöchsten in der Eurozone und der vierthöchsten in der EU[1] – auf unter 40% bis 2030. Das würde eine enorme Belastung für jedes einzelne Unternehmen und damit einen immensen Wettbewerbsnachteil für den Standort beseitigen – und so eine echte Investitions- und Beschäftigungsbremse lösen!
Leistung belohnen, Lohnsteuersätze für Vollzeitbeschäftigte senken
Ein effektiver Leistungsanreiz wäre die gezielte Entlastung von Vollzeitbeschäftigten, um die leistungsfeindliche Lohnsteuerprogression zu entschärfen. Derzeit steigt die Lohnsteuer unabhängig von der Wochenarbeitszeit von 0% in Schritten auf 20%, 30%, 40%, 48%, 50% und schließlich sogar 55%. Das ÖHV-Modell sieht vor, dass der jeweils höchste angewandte Lohnsteuersatz von Vollzeitbeschäftigten deutlich gesenkt wird – zumindest um fünf Prozentpunkte. Das würde einen wirksamen Anreiz darstellen, die Arbeitszeit zu erhöhen, mitarbeiterintensive Sektoren zu entlasten und die Praxis von Unternehmen, die mit Vorliebe auf Teilzeitbeschäftigung setzen, nachhaltig zu ändern. Dieser Ansatz bietet also zahlreiche Vorteile und ist rasch umzusetzen als Zwischenschritt bis zur angekündigten kompletten Steuerfreiheit für alle Überstunden.
Das braucht ein starker Tourismus
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Leistung belohnen, Lohnsteuersätze für Vollzeitbeschäftigte senken
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Überstunden bis 20 Stunden pro Monat steuerfrei, auch über Durchrechnungszeiträume betrachtet
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Sozialversicherungsbefreiung des Zuverdienstes bei Alterspension
Mit Kinderbetreuungsoffensive Jungeltern für den Arbeitsmarkt gewinnen
Viele junge Eltern würden mehr arbeiten, was allein am fehlenden Kinderbetreuungsangebot scheitert. Hier heißt es bestehende Angebote und damit auch die bestehende Infrastruktur besser zu nutzen. Kinderbetreuungseinrichtungen sollen den regionalen Bedürfnissen entsprechen: Ganzjährige Öffnungszeiten, mit einem wöchentlichen Ausmaß, das Ganztagsbeschäftigung erlaubt, in Tourismusregionen auch Angebote für Abende und Wochenenden. Parallel dazu sollen KMU bei der Einrichtung und Führung von Kindergärten für ihre Beschäftigten unterstützt und überbetriebliche Kooperationen gefördert werden.
Das braucht ein starker Tourismus
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Kinderbetreuung weiter ausbauen und betriebliche Kooperationen fördern
Modelle und Initiativen für Ganzjahresbeschäftigung in Zwei-Saison-Betrieben
Mehr Ganzjahresbeschäftigung ist das gemeinsame Ziel vieler Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen im Tourismus. Doch gerade in Zwei-Saison-Betrieben bestehen mehrere Wochen bis Monate Nachfragelücken – zu lang, um sie mit Mehrstunden oder Urlauben überbrücken zu können. Um Schließzeiten zu vermeiden und ganzjährige Beschäftigung möglich zu machen, sollen gemeinsam mit dem AMS Modelle entwickelt werden, die in einem ersten Schritt mit Betrieben in Testregionen auf ihre Umsetzbarkeit getestet, evaluiert und so weiterentwickelt werden, dass sie in der Fläche ausgerollt werden können.
Das braucht ein starker Tourismus
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Pilotmodelle für Ganzjahresbeschäftigung in der Zwei-Saison-Hotellerie
Integration durch Einbindung und Leistung
Auch Drittstaatenangehörige, die nicht nach Österreich gekommen sind, um zu arbeiten, haben nicht nur das Recht auf Arbeit, sondern brauchen das in den meisten Fällen um einen Lebensunterhalt, eine Perspektive und eine realistische Chance zur Integration zu bekommen. Personen vom Arbeitsmarkt auszuschließen, die einen Beitrag leisten können, wollen und auch sollten, ist wirtschaftlich, sozial und gesellschaftspolitisch Gift – umso mehr, wenn viele Tausend Stellen im Land nicht besetzt werden können und die Zahl dieser Personen steigt. Unternehmen, die einen Beitrag zur Integration dieser Menschen leisten können und wollen, sollten dabei aktiv unterstützt werden. Nicht zuletzt können Konflikte mit und zwischen schlecht integrierten Personen reduziert werden.
Das braucht ein starker Tourismus
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Arbeitsmarktzugang für Geflüchtete erleichtern
Mitarbeiterpotenzial in Drittstaaten optimal nutzen
Doch immer noch bleiben zahlreiche Stellen unbesetzt und Teams unterbesetzt was negative Auswirkungen auf Teams, Beschäftigte, Gäste und die Wertschöpfung hat. Und das, weil sachlich unbegründete Obergrenzen für die Einreise dringend benötigter Bewerber:innen aus Drittstaaten ihre Anstellung verhindern – und zwar in vielen tausend Fällen: Für diese Obergrenze gibt es keine sachliche Begründung – im Gegenteil: 12.490 beim Arbeitsmarktservice zur Vermittlung ausgeschriebene Stellen im Jahresdurchschnitt im österreichischen Tourismus zeigen klar auf: Der Bedarf ist deutlich größer, es bleibt Wertschöpfung auf der Strecke, aber auch Beiträge für das Sozialsystem. Denn zusätzlich zu diesen beim AMS gemeldeten Stellen dürften die Branchenunternehmen etwa noch einmal so viele auf anderen Wegen zu besetzen suchen.
Das braucht ein starker Tourismus
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Rot-Weiß-Rot-Karte weiter an die Bedürfnisse des Tourismus anpassen und Verfahren beschleunigen
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Reformierung der Saisonnier-Kontingente
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Komplette Arbeitsmarkt-Öffnung für EU-Beitrittskandidaten
Arbeitgeber entlasten, Lohnnebenkosten senken mit der 30-30-Formel
Nicht nur die staatlichen Lohn-Abzüge für Beschäftigte sind in Österreich zu hoch, sondern auch die Aufschläge, die die Arbeitgeber:innen zusätzlich zu den Bruttogehältern belasten: Die Lohnnebenkosten und damit die Arbeitskosten je geleisteter Arbeitsstunde in Summe. Letztere sind von 2022 auf 2023 – ausgehend von einem im internationalen Vergleich ohnehin schon hohen Niveau – noch einmal um 7,4% auf 40,90 Euro gestiegen: ein neuer Rekordwert. Für jeden Euro Nettolohn führen die Arbeitgeber noch einmal 101,4 Euro zusätzlich an Steuern und Abgaben an Kommunen, den Bund und Sozialversicherungsträger ab[2]. Mehr als die Hälfte der Arbeitskosten – 50,3% – kommen nicht bei den Beschäftigten an. Eine merkliche Senkung der Lohnnebenkosten, deutlich über die minimalen Verbesserungen der vergangenen Jahre hinaus, ist dringend notwendig. Daher schlägt die ÖHV vor, sie für bis 30 Beschäftigte je Unternehmen um 30% zu senken. Das würde Unternehmen jeder Größenordnung entlasten.
[2] www.statistik.at/statistiken/arbeitsmarkt/arbeitskosten-und-tariflohnindex/arbeitskosten/arbeitskosten
Das braucht ein starker Tourismus
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Lohnnebenkosten senken: 30-30 Formel einführen
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Lohnverrechnungen vereinfachen
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Steuerfreier Wohnkostenzuschuss
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Sachbezugsgrenze bei Dienstwohnungen auf 50 m2 erhöhen inkl. Gemeinschaftsräume
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Steuerbefreiungen von Servicepauschalen (max. 10%) in den Dienstleistungen
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Abschaffung Geldwerter Vorteil aus Mitarbeiter:innenbindungsprogrammen und Veranstaltungen
Lehrlingsausbildung optimieren, Feststellungsbescheid befristen
Ganz zentral ist für den österreichischen Tourismus die enge Verknüpfung mit den Regionen und daher auch die Ausbildung und Anstellung von Personen aus dem nahen Umfeld, die die Gegend, die Lebensweise, das kulinarische und kulturelle Angebot gut kennen und schätzen – und als Botschafter:innen der Regionen wirken. Daher muss verhindert werden, dass ungeeignete Ausbildungsbetriebe das Image der Branche ruinieren und junge Menschen, die eine Ausbildung im Tourismus abbrechen, dem ganzen Sektor den Rücken kehren. Daher darf die Eignung von Betrieben, Lehrlinge auszubilden – der Feststellungsbescheid – nicht unbefristet ausgestellt werden: Die Eignung muss spätestens bei einer überproportionalen Häufung von Lehrvertragsauflösungen überprüft und im Bedarfsfall entzogen werden.
Das braucht ein starker Tourismus
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Feststellungsbescheid für Lehrlingsausbildung befristen